«Nach dem Fall des obergermanisch-rätischen Limes um 260 n. Chr., der vordersten Befestigungslinie des Römischen Reiches, die sich grob bezeichnet von Stuttgart bis nach Regensburg erstreckte, brachen unablässig germanische Scharen in die römischen Grenzgebiete ein und verwüsteten das Land. Nach drei Jahrzehnten endlich begannen die Kaiser Diocletian und Maximian um 294 n. Chr. die ganze Rheingrenze gegen die von Nordosten anstürmenden germanischen Völker zu befestigen. Nach einer ruhigeren Zeit zu Beginn des 4. Jh. unter Kaiser Constantin dem Grossen wurde die germanische Bedrohung wieder stärker denn je.
Kaiser Valentinian I. beschloss deshalb im Jahre 369 n. Chr. ein umfassendes Bauprogramm, das den Zweck hatte, die römischen Grenzen am Rhein und an der oberen Donau wieder sicherer zu machen. Dank dem «Journalisten» und Historiker Ammianus Marcellinus, der die Geschehnisse dieser Zeit — heute würden wir sagen als «Kriegsberichterstatter» — selbst miterlebt hat, liegen uns viele Nachrichten vor. Er schreibt in seinem 28. Buch:
«Valentinian schmiedete bedeutende und nutzbringende Pläne. Den ganzen Rhein, angefangen von Rätien bis zur Meerenge des Ozeans (gemeint ist der Aermelkanal), liess er mit grossen Dämmen befestigen und auf der Höhe Militärlager und Kastelle, ferner in dichten Abständen an geeigneten und günstigen Stellen Türme errichten, soweit sich die gallischen Länder erstreckten»1. Aus diesem Text geht hervor, dass die Befestigungen den ganzen Rhein entlang verstärkt wurden, und dass neue Türme und Kastelle entstanden.
Die Bauarbeiten gingen dank einer sehr guten Planung und Organisation rasch vonstatten. Spezielle Pioniereinheiten, wie sie z. B. die Legio Prima Martia, die mit grösster Wahrscheinlichkeit in Kaiseraugst stationiert war 2, umfasste, wurden dafür eingesetzt. So konnte das ganze Bauvorhaben innert weniger Jahre nach 370 n. Chr. abgeschlossen werden. Zwei Bauinschriften von Wachttürmen in der zur Diskussion stehenden Rheinlinie Basel—Zurzach bezeugen diese Daten, und zwar handelt es sich um die Inschriften vom «Kleinen Laufen» bei Koblenz (Bild 2) und vom mutmasslichen Standort eines Wachtturmes bei Etzgen, genannt «Rote Waag», wo nur die Bauinschrift gefunden wurde (Bild 3).
Aber auch dieser letzte Versuch zur Sicherung des Römischen Reiches war zum Scheitern verurteilt. Nach dem Rückzug der römischen Truppen vom Rhein unter Stilicho im Jahre 401 n. Chr. wurden die Türme dem Zerfall überlassen und nach und nach als Steinbrüche verwendet; andere fielen der Erosion des Rheines, derjenige im Sternenfeld, der erste bekannte östlich Basel, auch moderner Bautätigkeit zum Opfer.»
1 Ammian 28, 2, 1.
2 Rudolf Laur, Führer durch Augusta Raurica, Basel 1966, 12.
aus: Ewald, Jürg / Schelker, Rolf, Baselbieter Heimatblätter, 40, 1975, Heft 3, s. 573-589 ( pdf)