Seit Anfang des 20. Jahrhunderts brauchten immer weniger Frauen dem Ehemann in Feld, Stall oder Werkstatt beizustehen, denn der ausser Haus arbeitende Vater war mehr und mehr zur Realität geworden. Das Haus war nicht mehr gleichzeitig Wohn- und Produktionsort. Als erstrebenswertes Leitbild galt nun der allein verdienende Mann und die von der Erwerbsarbeit befreite Frau. Die Familie wurde als Insel in der anonymen, kalten Welt angesehen und die Hausfrau sollte diese heile Welt erhalten.50
Abb. 15: Küche in Muttenz: Vermehrt fanden Erfindungen den Weg in den Haushalt: Elektroherd, elektrisches Bügeleisen und elektrische Nähmaschine bedeuteten eine grosse Entlastung für die Hausfrau.
Foto: Museen Muttenz
«Am Morge vom 6. Dezämber isch d Stube uf dr Chopf gstellt gsi. D Muetter und d Josefine, eusi Magd, hai drin gfummlet. S Parkett isch gspönlet worde und drufabe hets fein no Browabodewichsi gschmeggt. Am spötere Nomittag isch kei Stöibli me uf em Büffee gläge, d’Fänschter hai gspieglet und d Vorhäng sy häll und luftig an ihre Stängeli g hange.» 51
Dieser Bericht von Myrtha Blumer-Ramstein aus Muttenz, zeigt, dass die Beschäftigung der Hausfrau nun zur Hauptsache der Kindererziehung und der Haushaltführung galt. Fleiss, Ordnung, Reinlichkeit und Sparsamkeit waren die wichtigsten Attribute einer Hausfrau. Um diesen Anforderungen genügen zu können, sollten verheiratete Frauen keinem Erwerb nachgehen.52 Im Übrigen war es der Stolz jedes Ehemannes zu zeigen, dass seine Frau es nicht nötig habe etwas zusätzlich zu verdienen, weil er genug Geld heimbringe, um seine Familie ernähren zu können. Gemäss schweizerischem Eherecht durfte der Mann seiner Frau auch durchaus verbieten, einen Beruf auszuüben. Eine Hausfrau hatte stets beschäftigt zu sein! Wenn eine Frau sich hinsetzte, nahm sie auf jeden Fall ein Strickzeug in die Hand. Schon die Mädchen wurden daran gewöhnt (siehe Randspalte). Mit dem gefüllten Flickkorb, dem Stopfen von Strümpfen und Socken, war ebenfalls dafür gesorgt, dass die Frauen immer genug Arbeit vorfanden. Sich einfach hinzusetzen, um ein Buch zu lesen, war lange undenkbar. Das Bücherbrett einer Durchschnittsfamilie war auch nicht reich bestückt. Am liebsten wurden «Ringiers Unterhaltungsblätter» («s’gääl Heftli») und die «Schweizer Illustrierte» gelesen. 53
Anmerkungen
50 Felix Boller und Madlaina Bundi und Mischa Galli: Unterwegs zur Moderne, Buchs 2006, S. 131.
51 Myrtha Blumer-Ramstein: Erinnerige us dr Chinderzyt (1931 – 40), Muttenzer Schriften 8, Muttenz 2002, S.27 gspönlet = mit Stahlspahn den Holzboden geschliffen, Bodenwichse der Marke Browa.
52 Elisabeth Joris und Heidi Witzig: Brave Frauen, aufmüpfige Weiber, Zürich 1992, S. 162.
53 Eduard Strübin: Kinderleben im alten Baselbiet, Liestal 1998, S. 225.