Allen verheirateten und verwitweten Frauen stand das Recht zu, gemeinsam eine neue Hebamme zu wählen. Es war das einzige Wahlrecht, welches die Frauen ausüben durften, allerdings unter dem Vorsitz des Gemeindepräsidenten. Da dieses Wahlrecht ein frauenspezifisches Gebiet berührte, rüttelte es nicht an den männlichen Privilegien: 26
«Sonntag den 9. Dezember 1906: besammeln sich die Frauen und Witwen der Gemeinde unter dem Vorsitze des Gemeindepräsidenten und wählen zu Hebammen:
1. Frau E. Jauslin-Iselin, die schon längere Zeit privatim geamtet hat;
2. Fräulein Marg. Rahm, die sich erst noch auszubilden hat.» 27
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein waren Hausgeburten üblich. Die Frauen schenkten der ihnen wohl bekannten Hebamme ihr Vertrauen, hatte sie doch den meisten Kindern im Dorf auf die Welt geholfen. Die Hebamme war eine Respektsperson, der die Kinder beim Begegnen auf der Strasse die Hand geben mussten, so wie dem Lehrer und dem Pfarrer.28 Der Beruf der Hebamme wurde oft von verheirateten Frauen ausgeübt.
Aus der Chronik von Muttenz 1911:
«Am 5. November stirbt Frau Hammel-Bruhé, (…). Sie erreichte ein Alter von 761/2 Jahren und hatte der Gemeinde Jahrzehntelang als Hebamme treue Dienste geleistet. Gegen geringe Entschädigung lag sie nicht nur ihren Berufspflichten ob, sondern blieb den Familien eine treue Freundin. Beim festlichen Akt der Taufe trug sie das Kind in die Kirche, war aber auch behülflich bei der Herstellung des Taufmahles. So wurde sie vielen lieb und wert.»29
Abb. 7: Taufzettel Muttenz 1764, einer der ältesten bekannten Taufzettel aus dem Baselbiet. Göttibatzen und Taufzettel wurden oft lange aufbewahrt.
Dokument: Kantonsmuseum Liestal: StA BL KiAkt E 9 Liestal 3 (Aus dem Besitz von Emma Riesen, alt Hebamme):
Der Text auf dem Taufzettel lautet:
«Im nammen Gottes bist du
ge Taufft mid dem blut
Christi Theur Erkaufft
An leib und sell Gott sägen
dich Hier zeitlich und dort
Ewiglich Dies wünschet dir
dein getreüwe Tauffgotten
Efa Wetzel von Mutzentz
Daufgoten dän 16 herbstmonat
anno 1764»25
Anmerkung
25 Kantonsmuseum Liestal.
26 Annemarie Ryter: Als Weibsbild bevogtet, Liestal 1994 , S. 69.
27 Pfr. Johann Jakob Obrecht: Chronik von Muttenz 1904 – 1912,
Muttenzer Schriften 4, Muttenz 1991, S. 60.
28 Otto Schmid: In der guten alten Zeit, Muttenzer Schriften 3,
Muttenz 1990, S. 33.
29 Johann Jakob Obrecht: Chronik von Muttenz 1904 – 1912, Muttenzer