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Im Morgengrauen des Nikolaustages 1917 konnten die Einwohner von Muttenz nicht genau erkennen, was sich ihnen näherte. Begonnen habe alles kurz vor sieben Uhr mit einem Brummen, das angeblich vom Wartenberg kam. So berichteten die „Basler Nachrichten“ am nächsten Tag. Was sich in den nächsten Minuten abspielte, konnte nie mit Sicherheit geklärt werden, da sich viele Angaben widersprachen.

Gesichert ist jedoch: Innert Sekundenbruchteilen erschütterten mindestens zwei heftige Explosionen die kleine Strassengemeinde, woraufhin sich das Brummen entfernte. Die Druckwellen liessen in der Umgebung des Friedhofs und des Schulhauses östlich der wichtigsten Strasse im Dorf alle Fenster zu Bruch gehen. Von den Dächern fielen Ziegelstücke auf die Strasse und die Gärten. Nach kurzer Suche fand man die Ursache für die Sachschäden: Auf dem Friedhof und in einem benachbarten Garten an der Schulstrasse taten sich fast anderthalb Meter breite Krater auf. Es wurde schnell klar, dass das gehörte Brummen von Propellern gekommen sein musste und eine Maschine während eines Fluges quer zur Hauptstrasse offensichtlich Bomben abgeworfen hatte.

Neuer Höhepunkt des Luftkrieges ?

Etwas schien an der Front im Elsass vorzugehen und die Schweiz drohte in den deutsch-französischen Luftkampf hineingezogen zu werden. Seit nunmehr einer Woche hatte man fast täglich Luftraumverletzungen sowohl der kaiserlich-deutschen als auch der französischen Luftwaffen beobachtet.

Gerade erst zwei Tage zuvor war ein Flugzeug mutmasslich deutscher Herkunft über dem Bahnhof von Muttenz gesichtet worden. Und am gleichen Tag, so sollte die Morgenausgabe der Basellandschaftlichen Zeitung des 6. Dezembers berichten, waren zwei deutsche Leutnants der Reserve in Allschwil festgenommen worden, als ihr Flugzeug mit Maschinengewehr – aber ohne Munition – auf Schweizer Territorium landete.

Vermutungen

So war es für die zeitgenössischen Zeitungen nicht allzu abwegig, die Behauptung aufzustellen, der Abwurf von Muttenz sei die Folge eines Luftkampfes zwischen zwei verirrten Flugzeugen gewesen. Der Beweis dafür konnte jedoch nie angetreten werden, da diese Aussagen nur auf Augenzeugen basierten, die von Maschinengewehrfeuer berichteten - Gewehrkugeln wurden aber nie gefunden. Diese These gilt aber als wahrscheinlich, da zeitnahe Berichte eines Luftkampfes auch aus Gundeldingen kommen.

Ebenso wenig konnte bewiesen werden, der Angriff hätte dem teilweise in Muttenz stationierten Infanterie-Bataillon 65 gegolten: Man vermutete, das Schulhaus sei mit einer Kaserne verwechselt worden. Was die Piloten des Bombers aber unmöglich hatten wissen können, war der Umstand, dass die stationierten Männer in den Gasthäusern beim Frühstückskaffee gesessen hatten, als die Bomben einschlugen. Der Gasthof „Rössli“ befand sich  sehr nahe beim Friedhof. Ein Treffer im wenig weiter entfernten Gasthof „Rebstock“ hätte nach Angaben des Wirts fast hundert Soldaten das Leben kosten können. Ausser den zerstörten Scheiben und Dachziegeln sowie einem umgeworfenen Grabstein hatte es zum Glück nur Sachschäden gegeben.

Wer hatte die Bomben abgeworfen: Franzosen oder Deutsche?

Die Armee, welche die Untersuchung an sich zog und den zivilen Behörden die Schadensaufnahme überliess, beschlagnahmte bei den Begehungen am Friedhof mehrere Objekte, die sie in Verbindung mit den Bomben vermutete. Die Ergebnisse besagten, dass eine baugleiche Bombe neun Monate zuvor auf Porrentruy abgeworfen worden war. Diese Tat hatte man der französischen Luftwaffe zuweisen können.

Folglich reichte auch der Regierungsrat schon am 11. Dezember, wenige Tage nach dem Abwurf, im Auftrag des Bezirksstatthalteramtes Arlesheim den ermittelten Sachschaden von 3920.25 Franken ans Politische Departement weiter zwecks Übergabe an die französische Regierung. Ende April 1918 beglich diese den eingeforderten Schadensersatz mit einer Zahlung an die Eidgenossenschaft. Der Bundesrat liess den Betrag über den Regierungsrat und die Gemeinde an die Geschädigten auszahlen. Damit war die Angelegenheit juristisch bereinigt.

 

Schwarze Kreuze markierenden Einschlagsort.
Staatsarchiv BL, Dossier Politisches G 1.5., 1. Weltkrieg
  Rückseite Foto, Staatsarchiv BL,
Dossier Politisches G 1.5., 1. Weltkrieg

Bombenkrater im Friedhof

Die drei Bomben gingen in unmittelbarer Nähe des Schulhauses nieder. Die eine explodierte im Baumgarten von Totengräber Jakob Aebin, die andere zwischen den Bäumen von Rudolf Balsiger und die dritte auf dem Friedhofsgelände.
Die letztere schlug direkt neben dem Totenhaus ein, das sich an der Stelle der heutigen Aufbahrungshalle befand. Neben dem umgeworfenen Grabstein wurden am Totenhaus Dach und Fenster beschädigt.

 
 Foto: Museen Muttenz   Ausschnitt aus der Schweizer Illustrierten Zeitung
No. 50, S. 648

 

 
Das Kreuz vor dem Totenhaus auf dem Muttenzer Gottesacker bezeichnet den Einschlagsort der Bombe. Der Bombenkrater hatte einen Durchmesser von 30 Zentimetern und war 60 Zentimeter tief. Bei der Explosion wurden Dach und Fenster beschädigt.   Rückseite Foto, Staatsarchiv BL,
Dossier Politisches G 1.5., 1. Weltkrieg

Bomben beim heutigen Mittenza-Parkplatz

Die Bombe verfehlte knapp das neue Schulhaus Breite im Hintergrund und den Ortskern. Verschont blieb auch der benachbarte Gasthof Rössli, eine der Unterkünfte des Infanterie-Bataillons 65. Der Krater befand sich auf dem Gelände des heutigen Mittenza-Parkplatzes.

Bombentrichter im Garten der Liegenschaft Hans Balsiger,
im Hintergrund Schulhaus Breite
Foto: Museen Muttenz
Foto: Staatsarchiv BL, Dossier Politisches G 1.5., 1. Weltkrieg Rückseite Foto
Staatsarchiv BL, Dossier Politisches G 1.5., 1. Weltkrieg

Bombensplitter

 Dieser Bombensplitter aus dem Garten von Hans Balsiger konnte erfolgreich versteckt werden. Er ist eines der wenigen Objekte, die nicht von der Armee als Beweismittel beschlagnahmt wurden.


Foto: Museen Muttenz

Texte: Museen Muttenz, ergänzt von H.P. Meier

Drei Bomben auf Muttenz, Tageswoche vom 6. Dezember 2017