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Teil 4: Dem Landesstreik entgegen

Das Geschäftsjahr 1918

Mit der GV vom 10. März 1918 ist der Aufbau der neuen Sektion abgeschlossen. In kurzer Zeit hat sich die Partei personell ausgestattet und Vertreter in untergeordnete Gemeindegremien delegiert. Ohne Beschluss bleibt das Kurzreferat von Genosse Brupacher aus Basel betreffend Gründung einer Jugendorganisation in Muttenz.

Obwohl 1918 kein Wahljahr ist, gibt eine Gemeinderats-Ersatzwahl Anlass zu harten Auseinandersetzungen. Die Genossen entscheiden sich zu einer Kampfkandidatur. „Nach grosser Mühe“ (Protokoll vom 17.7.18) lässt sich Gottfried Schwob, Eisenbahnarbeiter, als Kandidat aufstellen. Dieser zieht sich aber wieder zurück. Schlussendlich unterstützt die Partei den Kandidaten der Grütlianer, Jakob Egli, der auch gewählt wird. Offensichtlich gehen die Emotionen in den drei Wahlgängen ziemlich hoch, wie ein Artikel der SP Muttenz im „Basler Vorwärts“ aufzeigt: 

„Trotzdem die Gemeinderatsersatzwahl erledigt ist, so speien gewisse Geister heute noch Gift und Galle. Ganz besonders produziert sich in dieser Beziehung Herr Georg Lavater, Wirt (früher Arbeiter). Wir können ja begreifen, dass das Eingreifen unserer jungen Partei in Gemeindesachen nicht jedem passt, der sich an Altes gewöhnt hat, aber dessen ungeachtet müssen sie sich nun mit unserer Tätigkeit in dieser Beziehung einfach vertraut machen, denn es ist absolut höchste Zeit, dass auch in Muttenz von der Arbeiterschaft etwas Opposition und Leben in das Gemeinwesen kommt. (...)" (BV 24.8.18).

Auf politischer Ebene ist die eidgenössische Abstimmung zum Parteienproporz von grosser Bedeutung. Die SP Muttenz lässt sich von zwei Referenten (Weber, Basel und Joneli, Allschwil) über den Inhalt der Initiative  informieren und beschliesst in einer Resolution die Annahme des Proporz auf eidgenössischer Ebene(BV 12.10.18). Die Volksabstimmung ergibt in Muttenz ein deutliches Resultat: 220 Ja gegen 40 Nein. Damit ist der Weg frei für die Forderung nach dem kantonalen und kommunalen Proporz. 

Titel und Themen aus dem „Basler Vorwärts“ zeigen, dass im vierten Kriegswinter die Not der arbeitenden Bevölkerung weiterhin gross ist. Dass Hunger herrscht und darum der Diebstahl von Nahrungsmitteln zunimmt, beweisen die Feldwachen, welche Gemeinden und Pflanzland-Organisationen in der Agglomeration einführen. (BV 17.8.18 und21.8.18).

Eine angespannte Stimmung zeigt sich auch in der zunehmenden Berichterstattung des „Basler Vorwärts“ über Streiks: Streik der Gärtner (diverse Artikel im März 1918), Streik in der Konditorei Singer (28.3.18), Streik der Metallarbeiter auf der Baustelle der Gesellschaft für Chemische Industrie in Basel (10.4.18), Streik in den Tonwerken und in der Verbundstein-Fabrik in Lausen (18.4.18), Dachdeckerstreik (14.5.18), Streik im Basler Holzgewerbe (16.5.18). Ein Ausfluss der angespannten Situation ist die Demonstration auf dem Marktplatz zugunsten der schlecht bezahlten Frauen und gegen die Aushungerung der Unterschicht. Es gibt am Rande der Protestversammlung Zwischenfälle (Steinwürfe), weshalb der Anlass als sogenannte „Teuerungs-Krawalle“ in die Geschichte eingegangen ist (BV 22. und 24.6.18).

In diesen Zeitläuften hat die Abstimmung im Baselbiet über die Erhöhung der Staatssteuer keine Chance. Die Muttenzer Parteiversammlung vom 3. Juli 1918 tritt für eine Verwerfung der Vorlage ein und bewilligt eine entsprechende Flugblatt-Aktion. Das entsprechende kantonale Gesetz wird am 7. Juli mit 3326 Ja zu 3954 Nein verworfen. 

Die Ernährungslage bleibt ein wichtiger Diskussionspunkt in den Parteiversammlungen. So geht es am 20.4.18 und 31.7.18 um die Rückvergütung des Milchpreises durch Bund und Kanton, am 21.8. um die Obstversorgungs-Frage, wobei Antrag an den Gemeinderat gestellt wird, den Obsthandel ausserhalb der Gemeinde mit einheimischer Ware einzuschränken. Im Oktober wird dann bekannt, dass aufgrund der Milchfrage in Muttenz eine Lebensmittelkommission gegründet werden soll.

Im Oktober stirbt Partei-Mitglied Wilhelm Hauser an der Grippe. Der Beschluss ergeht, dass bei jedem Mitglied eine Spende von CHF 0.50 zugunsten der Witwe eingezogen werden soll. (Protokoll vom 27.10.18) Der Regierungsrat teilt mit einem Schreiben der Partei mit, dass sämtliche Veranstaltungen wegen der Grippe bis auf Weiteres verboten sind. Die nächste Kommissionssitzung (erweiterter Vorstand) findet darum erst im Dezember statt, Parteiversammlungen fallen bis zur GV im Januar 1919 aus. 

An der Kommissionssitzung vom 14. Dezember ist der Grippe-Tod von Präsident Ernst Beyeler das Haupttraktandum. Ihm widmet die Partei einen Nachruf im „Basler Vorwärts": "(...) Kaum vor Jahresfrist, als die Nationalratswahlen unter Dach waren und aus gewissen Kreisen mit allem Mitteln gegen unsern Kandidaten, Dr. Brodbeck, operiert wurde, fasste Beieler den Entschluss, mit einigen andern gleichgesinnten auf dem Platze Muttenz auch eine sozialdem. Partei zu gründen (...). Unterstützt von einer Anzahl einsichtiger Arbeiter ist ihm die Gründung gelungen und zum Dank wurde er mit Recht als Präsident an die Spitze gestellt, welchem Amte er trotz vielen Anfechtungen und betroffenen Unglücksfällen und Krankheiten, denen er unterworfen war, mit voller Anerkennung unseres Dankes sich widmete und manchen Rippenstoss von entgegengesetzter Seite parieren musste. (...)" 

Die Grippe hat ihre Spitze im Oktober und flaut gegen Ende Jahr wieder ab. Allerdings bleiben die Todesfälle auf hohem Niveau.

Grippe-Statistik

Monat        an Grippe Erkrankte  Todesfälle
Juni 18      1000   2
Juli            3800   54
August       1600   30
September  2000  18
Oktober     13700  257
November  644  165
Dezember  5100  127
Januar 19  1400   37

(BV 5.2.19)

Der Landesstreik

In den Protokollen der SP Muttenz taucht der Landesstreik als Thema nur am Rande auf. Einzelne Genossen, die in der Stadt oder bei staatlichen Betrieben arbeiteten (SBB, Post), werden aktiv beteiligt gewesen sein. Aber die Grippe und das mit ihr verbundene Versammlungsverbot führen dazu, dass die Muttenzer Genossen sich zwischen dem 27. Oktober 1918 und dem 14. Dezember nicht sehen und darum der Landesstreik in ihren Treffen sozusagen keine Spuren hinterlassen hat.   

Die Folgen des Landesstreiks führen auf politischer Ebene, wie schon erwähnt, zu einer unguten Blockbildung von rechts und links. Dem Gegner wirft man beidseits üble Absichten vor. Ein Einsender an die Basellandschaftliche Zeitung bezeichnet die SP als „vaterlandslose Umsturzpartei“. (BV 1.2.19)