Zeugnisse von Baukultur, unserer vergangenen Lebensweise und alter Handwerkskunst finden sich nicht nur in pompösen Herrenhäusern, sondern auch im Kleinen. Ein sehr unscheinbarer und etwas vergessener Befund ist der an die Giebelmauer von Hauptstrasse 17 angebaute Schweinestall auf dem Vorplatz der Hauptstrasse 19. Meyer hat ihn bereits auf der Darstellung von 1678 abgebildet, im Gegensatz zu ganzen Bauernhäusern an den Siedlungsrändern, die er anscheinend für seine Dorfaufnahme als unwichtig erachtete.
Untypisch für Muttenz ist der Hauseingang auf der Giebelseite.
Hier betrieb der letzte Bauer an der Hauptstrasse bis 1966 seinen Bauernbetrieb. 1971/72 wurde die Scheune und der Stall zu einem Fotoatelier und Labor umgebaut. Gleichzeitig wurden im Haus Bad, WC sowie Heizung eingebaut.
Quelle: Dorfinventar 2021
Wasserversorgung früher: Es gab nur in der Küche einen Wasserhahn. Die Tiere tranken am Brunnen.
Der Bauernbetrieb umfasste ca. 5 ha Land und etwas Pachtland. Es wurde Ackerbau, Milchwirtschaft sowie Obst- und Rebbau betrieben. Zuletzt befanden sich 4-5 Kühe und 1-2 Pferde im Stall, sowie Hühner und 2-4 Schweine.
Quelle: Umfrage Landwirtschaftsbetriebe Muttenz von 1993, Museen Muttenz
Haus Nr. 17 auf dem ![]() Karte Staatsarchiv Baselland |
Parzellenplan von Siegfried 1830-40 mit damaliger Hausnummerierung Museen Muttenz, CC BY-SA 4.0 |
Mit Mitgleider der Familie Singeisen, o. J., am linken Bildrand das 1954 abgerissene ![]() Museen Muttenz, CC BY-SA 4.0 |
1931 Museen Muttenz, CC BY-SA 4.0 |
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1940 Museen Muttenz, CC BY-SA 4.0 |
1958 Museen Muttenz, CC BY-SA 4.0 |
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o.J. Museen Muttenz, CC BY-SA 4.0 |
Mit Tanksäule Foto: Theodor Strübin, STABL |
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2018 Foto: Hanspeter Meier |
2022 Foto: Hanspeter Meier |
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Links Haus Nr. 17 mit Schweinestall, o. J. Museen Muttenz, CC BY-SA 4.0 |
2022 Foto: Hanspeter Meier |
Das Türmlihus ist ein frühes Steingebäude. Seine Datierung ist unbekannt, weist aber mit seinem beinahe quadratischen Grundriss mit den Massen 8 auf 9 Metern, einer ausschliesslichen Wohnnutzung und einem Hocheingang im Süden auf ein
frühes gotisches Wohnhaus hin. (Nach dem Dorfinventar, 2021.)
Die Verbreiterung der Strasse führte beim Türmlihaus dazu, dass das Trottoir durch den Keller geführt wurde. Ein gleiche Situation haben wir beim Haus Hauptstrasse 45 (Ecke Hinterzweienstrasse), wo das Trottoir durch die ehemalige Stube läuft. Es stellt sich heute die Frage der Aufwertung, und wie Baukultur gegen Verkehrssicherheit und Erschliessung abgewogen wird.
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Haus Nr. 41 auf dem ![]() Karte Staatsarchiv Baselland |
Gempengasse Parzellenplan von Siegfried 1830-40 mit damaliger Hausnummerierung Museen Muttenz |
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Übersichtsplan Sektion A, 1918, Ausschnitt Bauverwaltung Muttenz |
Aus dem Parzellenplan von Siegfried von 1830/40 ist ersichtlich, dass es zwei Parzellen gab und das Haus in zwei unabhängige Wohnteile unterteilt war.
Linker (nördlicher) Gebäudeteil
Der Eingang befand sich oberhalb der Treppe. Auf zwei Stockwerken verteilt lagen die Wohnzimmer.
Rechter (südlicher) Gebäudeteil
Der Eingang zu diesem Teil erfolgte durch die Scheune. Eine Treppe im hinteren Scheunenteil führte zum Wohnungseingang im 1. Stock auf einer Laube. Von dort aus gings auch zur Wohnung im zweiten Stock.
Die Türe an der Strasse führte ebenerdig in einen Keller.
Rechts an die Scheune schloss das sogn. «Chalet» an, ein Kleinbauernhaus.
Rückansicht
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Foto: Jürg Bolliger, Muttenz | |
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Foto: Jürg Bolliger, Muttenz | Foto: Jürg Bolliger, Muttenz |
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Foto: Jürg Bolliger, Muttenz | Foto: Jürg Bolliger, Muttenz |
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Treppe zum Wohnungseingang Foto: Jürg Bolliger, Muttenz |
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Toilette Foto: Jürg Bolliger, Muttenz |
Küche Foto: Jürg Bolliger, Muttenz |
Das Taunerhaus Gempengasse 48 liegt ungefähr in der Mitte der Gempengasse, die nur auf dieser Seite mit einer gestaffelten Häuserzeile überbaut ist.
Die zweiachsigen Bauernhäuser lassen sich in etwa ins spätere 17. Jh. oder ins frühe 18. Jh datieren. Auch scheint ab dann spürbar eine verdichtete Überbauung des Etters stattzufinden, was sich über die nächsten rund 150 Jahre im Füllen von Baulücken und dem giebelseitigen Anbauen von so genannten Arbeiterhäusern ausdrückt. (Quelle: Dorfinventar, 2021)
Auf dem Plan von Meyer sind nur die beiden Häuser 46 und 50 eingezeichnet. Das Taunerhaus 48 wurde später in die Lücke dazwischen gebaut. Damit wurde diese Zeile geschlossen.
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Haus Nr. 46 und 50 auf dem ![]() Karte Staatsarchiv Baselland |
Gempengasse 48 Parzellenplan von Siegfried 1830-40 mit damaliger Hausnummerierung Museen Muttenz |
In diesem Haus befand sich die Handlung J. Frey-Gschwind.
Hier sollen sich laut Angaben Museen Muttenz die Fuhrleute auf dem Weg in den Steinbruch Sulzkopf ihren Kautabak geholt haben.
Der Plan von Meyer aus dem Jahr 1678 gibt Hinweise auf das Alter der heute noch bestehenden Bauernhäuser im Bereich Dorfkern.
Ein 2021 veröffentliche Untersuchung «Inventar Dorfkern Muttenz 2020» zeigt neue Erkennisse über die Siedlungsentwicklung und das Alter der Bauernhäuser.
Es seien wichtige Erkenntnisse aus dieser Studie zitiert:
- Das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) bezeichnet in der Aufnahme von Muttenz die Burg-, Geispel- und Gempengasse als Dorferweiterungen des 18. Jahrhunderts. Hier zeigt sich, dass durchaus ältere Bausubstanz vorhanden ist und mit einer viel früher ansetzenden Überbauung gerechnet werden muss.
- Vermutlich war die Darstellung der Bebauung an den Dorfrändern unpräzis. So scheinen unter anderem die Areale Baselstrasse/Tubusweg, Burggasse Ost, Geispelgasse Südwest, Gempengasse Süd und die
Hofstattbereiche an der Hauptstrasse West und der Westseite des Oberdorfs trotz 1678 fehlender Darstellung bereits damals teils überbaut gewesen zu sein.
- Holzgebäude
Der ortstypische Vertreter des Holzgebäudes war in Muttenz bis sicher ins 16., sogar eventuell bis ins frühe 17. Jahrhundert der Ständerbau. Mit ihren Walmdächern prägten die meist grossvolumigen Gebäude die Hauslandschaft des Basler Untertanengebiets bis weit ins 17. Jahrhundert.
Die bisher jüngsten dieser grossen Vielzweckbauten in Baselland konnten durch die Holzaltersbestimmung in die 1570er-Jahre datiert werden. Anschliessend wurden vermehrt Steinhäuser erbaut und die bestehenden Holzkonstruktionen zunehmend durch Mauerpartien ersetzt. Letzter Vorgang wird Versteinerung genannt. Er erfolgte in Muttenz im Vergleich zu den meisten anderen Dörfern der Basler Landschaft rund 100 bis 150 Jahre früher. Daher ist derStänderbau mit Strohdach auf der Dorfdarstellung von 1678 nur noch vereinzelt auszumachen.
- Der Versteinerungsprozess erfolgte sehr häufig gestaffelt nach Funktionsachsen. So wurde meist zuerst der Wohnteil umgebaut. In einem zweiten Schritt – wenn wieder ausreichend Ressourcen vorhanden waren – wurde die Ökonomie ebenfalls versteinert. Der Prozess konnte sich über Jahrzehnte hinwegziehen. Wandständer oder gar Firstständer inklusive Dachkonstruktion wurden belassen und ummauert (u.a. Burggasse 8, Burggasse 14, Kirchplatz 8, Kirchplatz 9, Oberdorf 12a). Die ursprünglich mit Bohlen oder Lehm gefüllten Wände wurden ausgemauert (u.a. Oberdorf 12a).
- Steinbau
Beim Steinbau hat sich gezeigt, dass die Mauerstärken von Gebäuden des 17. und 18. Jahrhunderts bei den Aussenmauern sowie der Trennmauer zwischen Tenn und Wohnteil um die 45 bis 50cm, die Brandmauer zwischen Herdstelle und Stubenofenstandort um die 30cm betragen. Ältere Mauern zeichnen sich durch Stärken von 60cm bis 70cm aus und verraten somit einen älteren Kernbau (z.B. Gempengasse 41 - Türmlihus, Hauptstrasse 65, Kirchplatz 13, Hauptstrasse 19 besitzt sogar Mauern mit einer Stärke von 80cm). Häufig zu beobachten ist das Aufgehen kleiner, einräumiger Steingebäude, vorwiegend Kellerbauten, in um sie herum neu errichteten Bauernhäusern (u.a. Hauptstrasse 42, Hauptstrasse 50, Geispelgasse 12, Hinterzweienstrasse 1, Kirchplatz 13, Tubusweg 2).
Das Aufteilen der Wohnachsen von Bauernhäusern in mehrere Haushaltungen muss vermehrt im Laufe des 18. und vor allem im 19. Jahrhundert (mit merklichem Bevölkerungswachstum in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts) erfolgt sein. Dieser Rückschluss kann gezogen werden, da bei den meisten Gebäuden, bei denen die Brandlagerakten ab 1807 konsultiert wurden, mehrere Küchen verzeichnet sind (z.B. Hauptstrasse 49 mit zwei Geschossen und drei Küchen, Gempengasse 62 mit vier Zimmern und 3 Küchen). Auch in den kleinen Gebäuden mit nur zweiraumgrossen Grundrissen lebte pro Geschoss eine Partei (u.a. Geispelgasse 10, 26, Oberdorf 15). Es kann erstmals von Mietwohnungen ausgegangen werden, wenn «Behausungen» mehrere Küchen aber nur einen Eigentümer ausweisen (z.B. Oberdorf 11 mit 2 Stock, 4 Zimmer, 3 Küchen). Es sei hier jedoch angemerkt, dass im Zuge dieser Bestandsaufnahme nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung standen, anhand der Befunde und der Brandlagerakten herauszuarbeiten, welche Gebäude zuerst nur für einen Haushalt konzipiert waren und später mit weiteren Küchen ausgebaut wurden, und welche bereits seit Beginn zwei oder mehrere Herdstellen aufwiesen.
Laut Steuerrodel von 1750 und 1760 machten neben 27 Bauern mit ihren Angehörigen und 40 Witwen die 127 Tauner mit ihren Familien die Mehrheit der Dorfbevölkerung von Muttenz aus. Die Berufsstände lassen sich durchaus zu einem gewissen Grad mit den Gebäudearten gleichsetzen. Der Begriff des Tauners wurde vom Lokalhistoriker Jakob Eglin (Heimatkundliche Betrachtungen, S. 31f) für Ziegenbauern und Tagelöhner verwendet, die wirtschaftlich von anderen abhängig waren.
Quelle: Gemeinde Muttenz, «Inventar Dorfkern Muttenz 2020», erstellt von Anita V. Springer mehrdimens.ch, 2021