Paul Imbeck-Löffler, gemäss einem Interview mit Werner Marti , Präsident der Jagdgesellschaft Muttenz, und Ernst Bärtschi
Im Kanton Basel-Landschaft unterliegt die Jagd strengen gesetzlichen Regelungen. Die Jagdreviere werden jeweils vom Kanton für acht Jahre vergeben. Die jüngste Neuvergabe des Jagdreviers Muttenz erfolgte per 01. April 2008, da ein Jagdjahr jeweils vom 01. April eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres gilt. Pächterin des Jagdreviers Muttenz ist die Jagdgesellschaft Muttenz. Diese umfasst acht Pächter und zusätzlich einen Jagdaufseher, wobei auch zwei Pächter die Jagdaufsicht ausüben.
Das Waidwerk ist eine nachhaltige Aufgabe, in welcher die eigentliche Jagd nur ein kleiner Tätigkeits-Bereich darstellt. Ziel der Jagd ist die Erhaltung eines angemessenen und gesunden Wildbestandes. Dies bedingt ein nachhaltiges Management, welches sowohl die Hege der Wild-Bestände, als auch die Bestandesregulierung umfasst. Biotop-Pflege und Biotop-Aufwertungen, Hege-Massnahmen, Kitz-Rettung vor Landwirtschaftsmaschinen zur Setzzeit sowie das Erlegen von Wildtieren, welche bei Unfällen tödlich verletzt wurden, beanspruchen den grössten Zeitaufwand.
Die Treibjagd (= Laute Jagd) dauert jeweils vom 1. Oktober bis 15. Dezember. Im Revier Muttenz finden jährlich sechs Treibjagden statt, erlaubt wären neun. Verglichen mit früher, wird das Wild heute extensiv bejagt. Während der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts war während der Jagdsaison jeder Dienstag ein Jagd-Tag. Neben der Treibjagd gibt es noch die Einzeljagd auf den Sommer-Bock (= Rehbock, welcher im Sommer erlegt werden darf) und die Wildschwein-Jagd. Für alle einheimischen jagdbaren Wildarten gibt es Schonfristen. Bei den Sauen dürfen hingegen die Jungtiere ganzjährig bejagt werden, allerdings nur auf dem Feld. Sauen werden vor allem vom Hochsitz aus an Ablenkfütterungen (= Kirrungen) bejagt. Um ein Tier erlegen zu können, muss ein Jäger nachts rund 70 - 80 Stunden ansitzen!
Generell ist die Jagd heute schwieriger geworden. Als stadtnahes Erholungsgebiet unterliegt das Jagdrevier Muttenz nahezu flächendeckend und fast 24 Stunden täglich einem erheblichen Störungsdruck durch die erholungssuchende Bevölkerung. Die Beunruhigungen durch Erholungsaktivitäten stellen heute für das Wild ein bedeutender Stressfaktor dar. Problematisch sind Aktivitäten abseits der Wege. Weil Hunde vom Rehwild und von Bodenbrütern als potentielle Feinde wahrgenommen werden, haben sie für Wildtiere eine höhere Stresswirkung. Aus diesen Gründen hat das Rehwild das Verhalten geändert: Heute treten die Tiere viel später auf's Feld aus als früher und verlassen den Wald oft erst in der Dunkelheit.
Die Jagdgesellschaft überwacht die Wildbestände und führt jährlich Wildzählungen durch. Jeweils vor dem Laubaustrieb wird das Revier auf festgelegten Strecken nachts befahren und mit Scheinwerfern werden Dachse, Füchse, Rehe und Hasen erfasst. Allerdings sind Bestandeserhebungen von Wildtieren schwierig und die erhobenen Zahlen bilden einen Richtwert. Am genausten sind die Daten für das Rehwild. Sie bilden die Grundlage für die Abschussplanung. Nach dem zweiten Weltkrieg war der Rehbestand im Revier tief. Bis Mitte der 80er-Jahre nahm er kontinuierlich zu und blieb dann etwa bis 2003 konstant bei rund 100 Tieren (Maximum: 102 Rehe 1997/98 und 1998/99). Seither nimmt der Rehbestand - wie im ganzen Baselbiet - wieder leicht ab. Da Wildtier-Bestände natürlichen Schwankungen unterliegen, sind die Gründe für die Bestandesabnahme in Muttenz nicht genau bekannt. Eine wesentliche Rolle spielt sicher die zunehmende Beunruhigung durch die Erholungsaktivitäten der Bevölkerung. Ob sich auch das Wiederauftreten des Luchses auswirkt, ist unklar. Die von der Jagdgesellschaft durchgeführten Bestandeserhebungen bilden - zusammen mit den registrierten Todesfällen von Wildtieren (=Fallwild) - die Grundlage für die Abschussplanung. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass nicht zu viele Tiere erlegt werden und der Wildbestand erhalten bleibt. Zum "Abgang" zählen einerseits jene Tiere, welche durch den Verkehr, wildernde Hunde, die Landwirtschaft (vermähte Jungtiere) sowie durch Krankheiten umkommen, und andererseits die erlegten Tiere. Beim Reh darf der Abgang jährlich rund ein Drittel des Bestandes betragen. Dies entspricht etwa dem Frühjahrszuwachs der Population. Im Jagdjahr 2006/2007 betrug der Abgang 20 Tiere bei einem Bestand von 82 Rehen; 2007/2008 waren es 24 Tiere (14 erlegt, 10 Tiere Fallwild) bei etwa gleichem Bestand.
Bei einer geringeren Vermehrungsrate oder bei kleinem Bestand wird die Jagdstrecke (=Anzahl der zu erlegenden Tiere) reduziert. So wird der Feldhase seit Jahren nicht mehr bejagt, weil dessen Bestand sehr klein geworden ist. Bis in die 60-er Jahre war der Feldhase sehr häufig, heute gibt es nur noch einzelne Individuen. Für diesen Rückgang ist nicht die Jagd verantwortlich, sondern verschiedene Faktoren wie Lebensraum-Verlust, Erholungsdruck, höherer Druck durch Fressfeinde. Im Gegensatz zum Reh, lässt sich beim Wildschwein der Bestand nicht erfassen. Die Tiere sind weniger standorttreu und unternehmen weite Wanderungen. Geplant ist neu ein kantonsweites Monitoring (=Bestandesüberwachung) an Ablenk- Fütterungen. Seit 2003/2004 gibt es im Revier fünf solcher Kirrungen (vorher drei). Bis 2004/2005 wurden immer weniger als 10 Sauen pro Jahr erlegt. Im jenem Jagdjahr waren es dagegen 32 Tiere (im ganzen Kanton rund 1000)! Seither ging der Bestand etwas zurück. Beim Fuchs beträgt der jährliche Abgang zur Zeit rund 30 Tiere, beim Dachs 6-7 Tiere.
Begleit-CD zu Muttenz zu Beginn des neuen Jahrtausends