Ein Regierungsrat, welcher das Bildungswesen im letzten Jahrhundert nachhaltig prägte
Leo Niklaus Lejeune, * 30.07.1915 – † 05.01.1985
Bild: Personenlexikon
Beruf: Jurist beim VSK,
Amt: Landrat (SP), Nationalrat, Regierungsrat
Voller Name: Leo Niklaus Lejeune
Konfession: reformiert
LEJEUNE Leo Nikolaus, geb. 30.7.1915 Zürich, gest. 5.1. 1985 Muttenz, ref., von Zürich. Sohn des Robert, Pfarrer, und der Susanna Margaretha Hartwich. Heirat 1944 Erica Manzoni von Iseo TI, Andeer GR und Zürich. Gymnasium und Studium in Zürich, Dr. iur., Anwaltpatent 1943. In der Rechtsabteilung des Verbandes Schweizerischer Konsumvereine in Basel tätig 1944-59. Gemeinderat in Muttenz 1948-54. Präsident Wohngenossenschaften Muttenz. Genossenschaftsrat Coop-ACV Basel. Ref. Kirchenrat 1953-60. SP-Kantonalpräsident 1948-58, Mitglied des Schweizer Parteivorstands. Vorstandsmitglied Presse-Union. Landrat 1950-59. Nationalrat 1955-59. Regierungsrat (Erziehung und Militär) 1959-75, Präsident 1963/64, 1968/69, 1973/ 74). Gewaltiger Ausbau des Bildungswesens unter seiner Leitung (u.a. Entstehung der Gymnasien und der Ingenieurschule beider Basel). Mitglied des Verfassungsrats beider Basel 1960-69; Befürworter der Wiedervereinigung.
aus Personenlexikon
Dr. Leo Lejeune gehörte der Regierung an von 1959-1975. Er wurde am 30.Juli 1915 in Andeer geboren, seine Heimatgemeinde ist Zürich. Die Primarschule besuchte er in Arbon. 1926 kamen seine Eltern mit ihm nach Zürich, wo er das Literargymnasium besuchte. Nach der Matur studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Zürich und erwarb 1943 das Zürcher Anwaltspatent. Er trat sodann in die Rechtsabteilung des Verbandes Schweiz. Konsumvereine ein und übersiedelte nach seiner Heirat mit Erika Manzoni nach Muttenz. Als überzeugter Sozialdemokrat betätigte er sich am neuen Wohnort alsbald auch politisch. Zunächst wurde er Mitglied der Schulpflege Muttenz, dann des Gemeinderates, dem er von 1948-1954 angehörte. 1950 wurde er in den Landrat gewählt und 1955 in den Nationalrat. Nach seiner Wahl in den Regierungsrat verzichtete er auf das eidgenössische Mandat. Von 1953-1960 war er Mitglied des Kirchenrates der Evangelisch-reformierten Landeskirche und von 1960-1969 Mitglied des gemeinsamen Verfassungsrates beider Basel. Im Militär hatte er den Grad eines Oberleutnants und wurde 1965 zum Hauptmann befördert.
Im Regierungsrat übernahm er die Erziehungs- und die Militärdirektion als Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen O. Kopp. Lejeune war ein Politiker mit Leib und Seele. Seine Politik war der Ausdruck einer sozialethischen Grundhaltung, die der sozialdemokratischen Richtung am nächsten kam. Er war auch ein Freund der Wiedervereinigung der beiden Basel und erwartete von ihr für die spätere Zukunft eine wesentliche Besserung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wenn damals, als die Frage akut war, auch nicht alles so lief, wie er es für richtig hielt. Denn einige Male wurde die Freundschaft mit der Stadt Basel auf eine harte Probe gestellt. Als zum Beispiel die Zahl der Schüler, welche das obere Gymnasium in Basel besuchen wollten, ständig zunahm und die Basler Behörden mit der Beschaffung des notwendigen Schulraums in Schwierigkeiten gerieten, musste der entscheidende Schritt zur Errichtung eigener Maturitätsschulen getan werden. Anstösse hiezu gab es schon in den dreissiger Jahren und später. Die damaligen Behörden wagten aber nicht, mit einer solchen Vorlage vor das Volk zu treten, denn die mehrheitlich wiedervereinigungsfreundlich gesinnte Bevölkerung war der Meinung, alle Schulprobleme liessen sich durch eine Vereinigung mit Basel lösen. Lejeune wagte aber diesen Schritt im Interesse unserer Jugend und bewies damit staatsmännischen Weitblick. Dass eigene Gymnasien notwendig waren, zeigte der Zudrang zu ihnen, denn es mussten gleich zwei errichtet werden, eines in Liestal und eines in Münchenstein. Dabei wurde neben den historischen Fachrichtungen ein neuer Maturitätstyp M eingeführt mit Betonung der modernen Sprachen und der Kunstfächer. Die Zahl der Gymnasiasten nahm rasch zu, und Lejeune konnte weitere Gymnasien in Muttenz und Oberwil eröffnen.
Auch im Basler Lehrerseminar herrschte Platzmangel, und Basel brauchte die Neulehrer selbst. Dem Gymnasium Liestal wurde eine Seminarabteilung angegliedert, welche später zum kantonalen Lehrerseminar wurde. Grosse Verdienste erwarb sich Dr. Lejeune auch durch den sukzessiven Ausbau des allgemeinen Schulwesens, seiner Meinung nach sollte jeder Schüler diejenige Schule besuchen können, die seiner Begabung und Intelligenz, am besten entsprach. Zahlreiche versuche wurden unternommen und neue Klassen eingeführt, ohne zu warten, bis die entsprechenden Bestimmungen gültig waren. Der dynamische- Erziehungsdirektor musste das hin und wieder hören. Er sorgte dann auch für den rechtlichen Unterbau seiner Neuerungen, die er für dringender hielt als die formelle Sanktion.
Besonders am Herzen lag ihm die Schulung und Weiterbildung all derer, die kein Gymnasium besuchen konnten. Für Primarschüler, die sich freiwillig weiterbilden wollten, wurden Berufswahlklassen eingeführt. Eine entscheidende Neuerung war sodann die Einführung von Sonderklassen für körperlich und geistig behinderte Kinder. Zur Abklärung von Entwicklungsstörungen bei Kindern und zur Beratung der Eltern in Erziehungsfragen wurde ein schul- und kinderpsychiatrischer Dienst geschaffen und systematisch ausgebaut. Französischunterricht in den vierten Primarklassen wurde erprobt und in einigen Gemeinden eingeführt. Versuche mir Sexualkundeunterricht wurden ebenfalls angestellt. Damit in vielen Sekundarschulkreisen die Möglichkeit geboten war, nach dem achten Schuljahr ins Gymnasium überzutreten, wurden beinahe in allen Sekundarschulen progymnasiale Abteilungen geschaffen. In seine Amtszeit fällt auch die Gründung des Technikums beider Baser. Auch hier wirkte er massgebend mit und erreichte, dass Muttenz als Standort gewählt wurde.
Grosse Anstrengungen und viel Kleinarbeit verlangte die Wahl guter Lehrkräfte an allen neu eröffneten Schulen und die Integration in den bestehenden Lehrbetrieb. Dr. Lejeune legte grossen Wert auf Qualität, wie er es auch verstand, sich mit ausgezeichneten Mitarbeitern zu umgeben, die ihm vieles abnehmen konnten. Denn der Erziehungsdirektor war kein Büromensch. Er war viel unterwegs bei der Eröffnung neuer Schulen oder bei der Einweihung von Kunstwerken und suchte Kontakt mit den Schulpflegen und Künstlern. Als Präsident der Kantonalen Kunstkreditkommission war ihm die Förderung der Kunst im Kanton ein besonderes Anliegen. Auch den musischen Teil der Bildung machte er der Jugend zugänglich durch die Schaffung der regionalen Jugendmusikschulen.
Als Militärdirektor pflegte er guten Kontakt mit den militärischen Instanzen und bemühte sich bei der Besetzung von Kommandostellen um qualifizierte Bataillons- und Kompaniekommandanten. Mit dem Bau des neuen Zeughauses im Oristal war er hauptsächlich in der Vorbereitungsphase engagiert. selbst leistete er noch Dienst als Hauptmann im Brigadestab. Regierungsrat Lejeune konnte mit grosser Befriedigung aus seinem Amte scheiden. Hohe Ziele hatte er sich gesetzt und strebte mutig und unnachgiebig danach, sie zu erreichen. Er löste Probleme, die früher auf die Seite geschoben
oder gar nicht erkannt worden waren. In BewäItigung des Wachstumssturmes unserer Bevölkerung führte er unser Schulwesen zu einer weitgehenden Erneuerung in der Form und im Inhalt. Die Errichtung der Gymnasien und des Technikums dürften Marksteine nicht nur im Bildungswesen, sondern auch in der Geschichte unseres Kantons sein. Für diese grossartigen Leistungen werden ihm noch Generationen dankbar sein.
Heute lebt Regierungsrat Lejeune in Muttenz, zeitweise in seinem Refugium in Gerra Gambarogno, und widmet sich, angespornt durch die Tätigkeit der Archäologen in Augst, ganz dem Studium des Altertums. Wir wünschen ihm und seiner Gattin noch viele glückliche Jahre, gute Gesundheit und Erfolg in der archäologischen Forschung.
Dr. Gustav Schmied, alt Landschreiber