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Ausschnitt aus: Jakobs des Handwerksgesellen Wanderungen durch die Schweiz, 1846

Der Handwerksgeselle Jakob kam aus Deutschland gewandert und arbeitete einige Zeit in Basel. Hier ein Bericht über seinen Sonntags-Ausflug nach Muttenz.

An einem Sommersonntagnachmittag hatten viele ihre Sonntagsstiefeln angezogen, waren zur Stadt hinausgewandert dem Birsfelde zu. Dort vernahmen sie, dass viele nach Muttenz gewandert, wo grosser Tanz sei und allerlei sonst. Nachdem sie den Staub etwas hinuntergewaschen, stürzten sie sich aufs neue in den Staub und steuerten Muttenz zu, welches lieblich liegt am Auslauf des Jura und ein grosses, reiches Dorf ist in Baselland.

Dort war allerdings Musik und Tanz, viele Leute füllten die Gassen, und voll waren die Wirtshäuser, die großen Tanzsäle zitterten von Jubel und Stampfen der Tanzenden, vom Wehgeschrei der Klarinetten, das markdurchschneidend durch Fugen und Fenster drang.

Wie ehedem, wenn Napoleons alte Garde in der Schlacht erschien, jeder Gardist von dem Bewusstsein getragen ward, aller Augen ruhen auf ihnen, und bei Freund und Feind werde es heissen: »Sie kömmt, sie kömmt, die alte Garde!« fast so zogen unsere Freunde in Muttenz ein, im langsamen Schritt und mit Bedacht, dass lange man nicht wusste, wollten sie in den »Schlüssel« sich setzen oder in die »Sonne«. Kaum so lange zögerten die alten, wilden Eidgenossen am Rande der Birs, ehe sie die steilen Wände hinab sich stürzten auf den zwanzigfach überlegenen Feind.

Freilich wussten unsere Bursche auch, dass sie nicht unter lauter Freunden sich befanden, dass blutige Köpfe in Muttenz nicht selten sind, dieweilen die Bewohner kein geduldig Völklein sind, welche willig und zahm sich von Fremden in Schatten stellen, in die Winkel drängen lassen.

Es ist klassisch kriegerischer Boden um Muttenz, denn wie gegen Osten St. Jakob liegt, so ist gegen Westen Dornach, wo an heissem Sommertage bei Schlaf und Bad die Östreicher von den Eidgenossen überfallen wurden, bei grosser Überzahl sich derselben jedoch erwehret hätten, hätte ein eidgenössischer Zuzug sie nicht erschreckt und in wilde Flucht getrieben, auf welcher manch österreichischer Reiter durch die Gassen von Muttenz gesprengt, manch anderer auf den weiten Feldern begraben sein mag neben den wilden Franzosen, welche ein halb Jahrhundert früher auf wilder Flucht von Pratteln her über Muttenz über die Birs bis St. Jakob geflohen waren. Die Schatten der wilden Reiter sieht man nicht umgehen in dunkler Nacht, aber an hellen Tagen, wann heiss die Sonne brennt, Staubwolken wirbeln durch die Luft, da hört man noch oft durch Muttenz' lange Gassen ein wild Geschrei, Schlachtgetöse, doch donnern nicht Kanonen, sprengen nicht Reiter, aber wild steigt Geschrei und Staub gen Himmel, und hier und da sieht man einen laufen gegen Pratteln oder der Stadt zu. Wer sich näher wagte, würde sehen, wie wilde Gesellen kriegerischer Baslerlandschaftler sich die blauen Jacken ausklopfen, im Staube sich wälzen, im Kleinen wiederholen, was die Alten im Grossen getan.

Unser Jakob war in heidenmässiger Laune, er hatte das beste Hemd an, rauchte Zigarren und fühlte zwei Guldenstücke von der Großmutter Geld in der Tasche, brannte am ganzen Leibe, anzubeissen mit der ganzen Welt, damit die Welt erfahre, welch Kerl der Jakob sei. Bei solchen Anlagen ist in der Welt wohl nichts leichter, als Streit zu kriegen, absonderlich in Muttenz -- eine baslerische Helena ward der unschuldige Zankapfel. Jakob wollte den Paris spielen, sie ihrem inländischen Liebhaber verlocken; die Schöne tat zweideutig, dachte wahrscheinlich, wenn sie heute dem Gesellen sein Geld vertanzen und vertrinken helfe, so schade das ihrem inländischen Schatze nicht nur nichts, sondern er habe auch Nutzen davon, nämlich am Montag noch Geld in der Tasche. Der verstund das Ding aber nicht, schätzte wahrscheinlich den Schaden anders, und bald entbrannte der Krieg, der rasch zum allgemeinen wurde, doch nicht zehn Jahre dauerte wie der trojanische.

Es ging wild her, gewaltig wehrten sich die Fremden, aber auf eigenem Boden standen die Heimischen, kannten Stein- und Scheiterhaufen, die nächsten Wege dazu und sonst jede Gelegenheit. Aus dem Felde geschlagen wurden die Fremden, es gab eine harte Retirade, verloren freilich weder Kanonen noch Kriegskassen, wohl aber Hüte und Tabakspfeifen, doch gelang es ihnen, ihre Verwundeten mitzuschleppen, unter diesen auch Jakob. Als Urheber des Streites war er ehrlich im Vorstreit gestanden, hatte nicht die Arrieregarde verstärkt, wie es sehr oft solche tun, welche hetzen können, aber nicht streiten dürfen.

Er hatte seinen Nebenbuhler zu Boden geschlagen, wollte ihn ferner dreschen, da schoss ihm seine Schöne mit langen Nägeln ins Gesicht, einer wütenden Henne gleich, und während er mit Manier seine Augen vor den Klauen zu sichern suchte, ward ein Stuhlbein auf seinem Kopf zerschlagen, ein geworfenes Scheit traf ihn in den Nacken, er brach in die Knie, und dunkel ward es ihm vor den Augen. Doch, wie gesagt, die Freunde verliessen sich nicht, schleiften die Verwundeten mit sich, wie sie konnten und mochten, und kriegten darob noch manch harten Schlag; und manchem ward der Tag immer so heiss, wenn er auch in keiner eisernen Rüstung stak, als er manchem Östreicher bei Dornach geworden war.

Auf dem Birsfelde sammelte man sich, mitleidige Hände wuschen die Verwundeten, während andere für den Durst der Gesunden sorgten, der so ungeheuer war, dass es ihnen wirklich vorkam, wenn der Rhein Wein wäre und sie Bürgermeister von Basel, so wollten sie nicht absetzen, bis sie fertig mit dem Rheine wären.

Die ganze Geschichte kann hier nachgelesen werden: http://gutenberg.spiegel.de/buch/jakobs-des-handwerksgesellen-wanderungen-durch-die-schweiz-7058/1