aus: Muttenz zu Beginn des neuen Jahrtausends, 2009, S. 305-307, Autor: Helen Liebendörfer und Hanspeter Meier
Bis zum Ersten Weltkrieg gaben hauptsächlich die Alteingesessenen den Ton an, vor allem, wer Geld und Gut besass. Der Einfluss der Presse war nicht sehr gross, denn es existierte weder ein Muttenzer Anzeiger noch waren die Tageszeitungen sehr verbreitet im Dorf. Einfluss auf die Meinungsbildung hatten die Coiffeurgeschäfte, die Vereine und die Wirtschaften. Der Gasthof Rössli war die Stammburg der Freisinnigen, der Rebstock und die Waage galten als Treffpunkt der eingesessenen Muttenzer, während der Bären die Hochburg der Sozialdemokraten war und der Salmen von den eingefleischten Linksparteien besucht wurde.
Es standen sich hauptsächlich die Sozialdemokraten, die aus dem Grütliverein herausgewachsen waren, und die Freisinnigen gegenüber. So umfasste der Gemeinderat, der 1923 erstmals nach dem Proporz gewählt wurde, vier Sozialdemokraten und drei Freisinnige. Zwölf Jahre später gründete man eine Vereinigung der Parteilosen. Es wurden zwei ihrer Mitglieder in den Gemeinderat gewählt. Fortan setzte sich der Gemeinderat aus drei Sozialdemokraten, zwei Freisinnigen und zwei Parteilosen zusammen.
In den folgenden Jahren kamen weitere Parteien dazu: Die Katholische Volkspartei, die Demokraten, die Evangelische Volkspartei, die Partei der Arbeit und die Nationale Aktion, IG Donnerbaum/Muttenz West und die SVP.
Die Sitzverteilungen im Gemeinderat wie auch in der Gemeindekommission zeigen im Laufe der letzten 40 Jahre relativ stabile Verhältnisse, vor allem was die Stärken der politischen Blöcke Links und Rechts betrifft. Bei der Einführung des Majorzwahlrechts für den Gemeinderat im Jahr 1996 gab es allerdings gewisse Schwankungen in der Verteilung. Auffällig in den letzten Jahren ist einzig eine gewisse Verlagerung innerhalb des bürgerlichen Blocks.
* Listenverbindung
** ein Sitz für einen Parteilosen
***Losentscheid zugunsten SP
**** T. Jourdan als Regierungsrat gewählt, Nachwahl, Sitz geht an SP
Die Gemeindekommission bestand bis 1971 aus 15 Mitgliedern, danach aus 21. Sie berät die Geschäfte der Gemeindeversammlung und stellt ihr Antrag. Sie ist zusammen mit dem Gemeinderat Wahlbehörde für die Bau- und Planungskommission, Kultur- und Sportkommission, Sicherheits- und Umweltkommission, Sozial- und Gesundheitskommission, das Wahlbüro und die Gemeindeangestellten IG Donnerbaum/West Ein Regierungsratsbeschluss zur Zusammenlegung von Schulklassen von Muttenz und Birsfelden führte 1982 zur Gründung der IG Donnerbaum/Muttenz West. Die Interessengemeinschaft wollte das Quartier politisch vertreten und eroberte 1984 einen Sitz in der Gemeindekommission, sowie bald darauf einen Sitz in der Schulpflege und weiteren Kommissionen. Bis 1996 war die IG Donnerbaum/Muttenz West politisch tätig, dann wurde der Verein mangels Interesse aufgelöst.
* Listenverbindungen,
Alte: Bezeichnungen: KV= Katholische Volkspartei, VPM = Vereinung der Parteilosen Muttenz, IGD/MW=IG Donnerbaum/Muttenz West, NA=Nationale Aktion
Aus dem Jahresbericht 2018 Archäologie Baselland, S. 98-
Anlässlich der bauarchäologischen Untersuchung der Liegenschaften Hauptstrasse 42, 44 und 48 in Muttenz stiess die Archäologie Baselland auf einen ungewöhnlichen Fund: Im Dachstock des Gebäudes fanden sich drei mit Holznägeln gespickte Bretter, die in Zweitverwendung in einer Trennwand verbaut worden waren. Da man unlängst im aargauischen Laufenburg ähnliche Bretter als ausrangierte Schützenscheiben identifiziert hatte, lag der Schluss nahe, dass es sich auch im Falle von Muttenz um Bestandteile von solchen handelt.
Bretterwand im Dachstock des untersuchten Hauses. Ein Brett der Schützenscheiben ist rechts zu erkennen.
Bild Archäologie Baselland
Die Bretter verfügen einseitig über eine Anschrägung, die aber erst von der nachträglichen Einpassung in die Schräge des Dachraums stammen. Das aussagekräftigste Brett ist dasjenige mit einer schwarzen, kreisrunden Fläche – im Schützenwesen ‹das Schwarze› genannt – in deren Mitte ein rundes Bohrloch liegt. Dieses markiert das Zentrum der einstigen Schützenscheibe. Der äussere Rand lässt sich an beiden Enden des Brettes anhand einer leichten Rundung erkennen. Die Scheibe war folglich ursprünglich kreisrund. Ein weiteres, etwas kleineres Brett lässt sich links des zentralen Brettes anpassen, während das andere wohl von einer weiteren Schützenscheibe stammt.
Die geborgenen Bretter der Schützenscheiben mit ergänztem Scheibenbild von 1,40 Metern Durchmesser.
Bild Archäologie Baselland
Die Einschusslöcher wurden mit kleinen Holzdübeln verschlossen und diese bündig eingehämmert. Die Stopfhölzchen sind im Querschnitt quadratisch und von Hand zugespitzt. Mehrere Schichten weisser Tünche zeigen, dass die Bretter wiederholt verwendet worden sind, und bezeichnenderweise wurden die Einschüsse des letzten Schiessdurchgangs zwar noch verdübelt, aber nicht mehr übertüncht. quadratisch und von Hand zugespitzt.
Zur Frage der Datierung der Muttenzer Scheiben sind vier Kriterien in Betracht zu ziehen: Der bauliche Kontext, in dem die Scheiben aufgefunden worden sind, die Gestalt und die Ausmasse derselben, die nach Ausweis der Einschusslöcher verwendeten Waffentypen sowie die dendrochronologische Untersuchung des Scheibenholzes.
Der Baubefund lässt sich wie folgt deuten: Die untersuchte Liegenschaft wurde 1605 als Bauernhaus mit Mittertenn errichtet. Wahrscheinlich wurde bereits 1632 der Stall zu einem Wohnteil umgebaut, und es ist möglich, dass damals auch im Dachstock die notwendige Abtrennung mittels der Bretterwand erfolgte. Zu Gestalt und Ausmassen von Schützenscheiben geben uns mehrere zeitgenössische Darstellungen Auskunft. Sie zeigen seit dem 16. Jahrhundert runde Scheiben mit dem charakteristischen ‹Schwarzen› im Zentrum. Zu den Massen finden sich im 19. Jahrhundert schriftliche Überlieferungen. So legte der Kanton Basel 1830 fest: ‹Die Scheiben sollen 4½ Schuh Durchmesser haben.› Eine andere Quelle berichtet für die dieselbe Zeit: ‹Das Scheibenbild war stets rund und weiss gestrichen. Das Schwarze in der Kehrscheibe mass 16 Zoll.› Im Vergleich zu diesen Angaben misst die Muttenzer Scheibe zwar 1,40 Meter im Durchmesser, also in etwa die genannten 4½ Basler Schuh, das ‹Schwarze› aber nur 12 Zoll.
Detailaufnahmen von Vorder- und Rückseite des zentralen Scheibenbretts mit der Bemalung und den eingeklopften Dübeln.
Bild Archäologie Baselland
Die Verwendung der Dübel wird im Tiroler Schützenwesen des 19. Jahrhunderts übrigens wie folgt beschrieben: ‹Das Loch wird dann mit einem ‚Diebel‘, das heisst einem eigens zugerichteten Holzstopsel, der auf der einen Seite die Schussnummer trägt, zugeschlagen und von ihm bis an den Scheibenrand ein Strich mit dem Bleistift gezogen. Dazu kommt die betreffende Nummer, damit, wenn ein solcher ‚Diebel‘ angeschossen wird, die Nummer aufzufinden ist. Diese ‚Diebel‘ hängen geordnet an einer Schnur, und wenn ein Schuss fehl geht, wird der betreffende zur Seite gelegt.› Anderenorts wird die Messtechnik beschrieben: ‹Die Treffer wurden der Reihe nach, wie sie geschossen wurden, nummeriert und mit einem Zirkel abgestochen.›
Im Weiteren sind zur Datierung der Muttenzer Scheiben die früher üblichen Waffentypen beziehungsweise deren Kaliber zu berücksichtigen. Diebold Schilling illustriert um 1500 eine Schiessveranstaltung mit Feuerwaffen. In der Nordwestschweiz sind für das 16. Jahrhundert Schützengesellschaften für Feuerwaffen überliefert – aber auch noch für Armbrüste und Bögen. Für das Schiessen wurden zuerst Hakenbüchsen, dann Musketen verwendet, die alle über verschiedene Kaliber verfügten. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde im Schweizer Wehrwesen das Perkussionsgewehr eingeführt. Damit einher ging auch die Verwendung eines länglichen, standardisierten Geschosses anstelle der bisherigen Rundkugel.
Büchsenschiessen der Gesellen von Luzern und Uri. Eidgenössische Chronik des Luzerners Diebold Schilling, um 1513 (www.e-codices.ch).
Bild Archäologie Baselland
Die Bilanz der bisherigen Ausführungen ist ernüchternd: Keines der genannten Kriterien erlaubt zurzeit eine genaue Datierung der Muttenzer Schützenscheiben. Zumindest unter Berücksichtigung des Baubefunds wäre eine älteste Datierung der Scheiben vor das Jahr 1632 möglich. Da die Bretter mittels handgeschmiedeten Eisennägeln im Dachstock verbaut worden sind, dürften sie aber auch nicht jünger als das 19. Jahrhundert sein. Vielleicht erlaubt dereinst die Anwendung des letzten Kriteriums doch noch eine bessere Eingrenzung: Denn auf die dendrochronologische Untersuchung wurde bislang verzichtet, da die Wahrscheinlichkeit gross ist, dass für die Scheiben Altholz verwendet worden war.
Bericht: Christoph Reding
Das Muttenzer Wappen wurde für die Landesausstellung im Jahre 1939 geschaffen.
Für die „Landi“, die Schweizerische Landesausstellung von 1939 in Zürich, plante man unter dem Motto «Heimat und Volk» unter freiem Himmel eine Strasse, welche überdeckt werden sollte mit den Fahnen der rund 3000 Gemeinden der Schweiz und der Kantone.
Landesausstellung 1939 in Zürich, die sogenannte „Landi“ mit der Höhenstrasse und den Fahnen der Gemeinden der Schweiz
ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Unbekannt / Ans_00771 / Public Domain Mark
Viele Gemeinden mussten dafür extra ein eigenes Wappen schaffen, so auch Muttenz. Bis dahin hatten nämlich nur gerade sechs Baselbieter Gemeinden eigene Wappen: Liestal, Sissach, Binningen, Birsfelden, Lampenberg und Waldenburg.
Der Muttenzer Gemeinde-Stempel zeigte damals einen Turm mit Zinnen. Auch die Fahne des Muttenzer Turnvereins aus dem Jahr 1879 zeigt diesen runden Turm. Er war als Wappen jedoch ungeeignet.
Den Turm mit dem Baselbieter Stab umrahmt mit einem Lorbeerkranz sieht man erstmals auf der Fahne des Turnvereins Muttenz aus dem Jahr 1879. Entwurf und Ausführung stammt vom Muttenzer Künstler Karl Jauslin
Um ein eigenes Wappen zu erhalten, wurde nun eine Kommission eingesetzt und verschiedene Entwürfe eingeholt. Dabei zeigte es sich, dass sehr fantasievolle Wappen entworfen wurden.
Diese Entwürfe zeigen verschiedene Motive, die für ein Wappen jedoch zu überladen wirken
Es war keineswegs einfach, ein Wappen zu kreieren, das einen historischen Bezug zu Muttenz zeigt. Dem Mitglied der kantonalen Kommission für Wappenberatung, Adolf Müller, verdanken wir schliesslich den Entwurf für das Muttenzer Wappen mit dem roten Löwen und den drei Zinnen. Der Entwurf befindet sich heute im Ortsmuseum.
Nach einigem Hin und Her und kleineren Veränderungen beschloss der Gemeinderat am 15. März 1939:
„Das Wappen wird in der vorliegenden Form als gut geraten erachtet und soll in Zukunft als Gemeindewappen verwendet werden. Auf die diesbezügliche Einladung der Landesausstellung wird beschlossen, sich an der Aktion betreffend Gemeindefahnen zu beteiligen, sofern der hiesige Frauenverein die Anfertigung von 2 Gemeindefahnen übernimmt.“
Der Vorstand des Frauenvereins tagte gleichzeitig im Breiteschulhaus und liess sofort mitteilen, dass er die Anfertigung in der gewünschten Grösse übernehme.
Am 26. Mai 1939 erschien im Muttenzer Anzeiger ein Artikel von Jakob Eglin über das Entstehen des Muttenzer Wappens, dabei schildert er, wie die Fahne für die „Landi“ angefertigt wurde:
„Seither ist das Wappen von geübter Frauenhand auf ein kleines Banner gestickt worden. An der Landesausstellung in Zürich flattert es nun im Verein mit zahllosen Bannern aus allen Gauen des Schweizerlandes hoch in der Luft und hat bereits dort in der schönen Limmatstadt die offizielle Weihe erhalten.“
Das neu eingeführte Muttenzer-Wappen mit der Beglaubigungsurkunde, 1939.
Museen Muttenz, Lizenzbedingungen CC BY-NC-SA 4.0
Das Muttenzer Wappen mit den drei Zinnen, welche die Wartenberg-Burgen symbolisieren, sowie dem gravitätisch aufgerichteten Löwen aus dem Wappen der Familie Löwenberg. Katharina Löwenberg war die Gattin des Ritters Konrad Münch von Münchenstein, welcher im Mittelalter die Feudalherrschaft über Muttenz innehatte. Das Wappen Münch-Löwenberg findet man in der Muttenzer Dorfkirche, da das Paar für den Wiederaufbau der Kirche nach dem grossen Erdbeben von 1356 zuständig war und sich entsprechend an verschiedenen Orten verewigt hat: Im Triumphbogen und dem Schlussstein im Chor.
Im Triumphbogen sieht man das Wappen des Ritters Konrad Münch verheiratet von Löwenberg
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Fotos: Hanspeter Meier
Quelle: Muttenzer Schriften 7, Karl Bischoff: Muttenz – Name-Wappen-ArbogastRitter Konrad und der Löwe, spielerischen Rundgang für Kinder zum Thema
Ist die Gemeindeversammlung in der heutigen globalisierten Welt noch zeitgemäss? Erfüllt sie ihre Funktion und geniesst sie genug hohes Ansehen oder berücksichtigt sie nur die Bedeutung kommunaler Tradition? Macht es Sinn diese kleinräumigen, lokalen Strukturen zu erhalten? Diese Fragen beschäftigten im Laufe der Jahre immer wieder die politisch Interessierten im Dorf. Es gab in den letzten Jahrzehnten mehrere Vorstösse, die Gemeindeversammlung abzuschaffen und dafür einen Einwohnerrat einzuführen, was für eine Gemeinde mit rund 17 000 Einwohnern durchaus überlegenswert erscheint.
Ein neues kantonales Gemeindegesetz (28. Mai 1970) schuf die Möglichkeit einer sogenannten ausserordentlichen Gemeindeorganisation: Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern konnten an Stelle der Gemeindeversammlung einen vierzigköpfigen Einwohnerrat wählen. Während am 11. Dezember 1970 die Gemeindeversammlung mit grossem Mehr beschloss, die Beibehaltung der Gemeindeversammlung anzunehmen, stimmte Reinach mit einer ähnlichen Einwohnerzahl für die Einführung eines Einwohnerrates. Die Abstimmung an der Urne in Muttenz folgte am 6. Juni 1971: Mit 1 464 Ja gegen 1 010 Nein stimmte man eindeutig für die Beibehaltung der Gemeindeversammlung.
Am 12.6.1974 wurde ein Antrag von 156 Stimmberechtigten, die Gemeindeversammlung abzuschaffen, an der Gemeindeversammlung abgelehnt mit 303 zu 91 Stimmen. Am 20.6.78 wurde ein erneuter Antrag mit 405 zu 111 Stimmen abgelehnt.
20 Jahre später – am 7. Juni 1998 – erfolgte ein weiterer Vorstoss mit einer Initiative zur Einführung eines Einwohnerrates. Aber wiederum wurde er abgelehnt und für die Beibehaltung der Gemeindeversammlung gestimmt: Bei einer timmbeteiligung von knapp 50 % fiel mit 1 980 Stimmen gegen 3 443 Stimmen das Nein an der Urne deutlich aus.
Acht Jahre danach versuchte man es noch einmal, jedoch ohne Erfolg: Die Initiative für einen Einwohnerrat wurde am 21. Mai 2006 an der Urne mit einer Stimmbeteiligung von 30 Prozent wiederum deutlich abgelehnt: Mit 2 383 Nein gegen nur 1130 Ja. Es wird es also weiterhin und wohl für lange Zeit bei der Gemeindeversammlung bleiben.
aus: Muttenz zu Beginn des neuen Jahrtausends, 2009, S. 304-305, Helen Liebendörfer und Hanspeter Meier
Am 23. September 2018 lehnten die Stimmbürger von Muttenz mit 2596 gegen 1624 Stimmen erneut einen Einwohnerrat ab. Die Stimmbeteiligung betrug nur 37,2 %. Zuvor hatte sich schon die Muttenzer Gemeindeversammlung mit 171 zu 109 Stimmen gegen die Einführung eines Orts-Parlaments ausgesprochen.