aus dem Jahresbericht 2017, Archäoligie Baelland, S. 64-65
Bericht: Jan von Wartburg
Übersicht über die Baustelle. Blick gegen Osten.
Bei der Versetzung des Dorfbrunnens an der Baselstrasse 17 kam ein bislang unbekannter Sodbrunnen zum Vorschein. Der rund sechs Meter tiefe Schacht liegt nur einen halben Meter westlich des aktuellen Brunnens. Seine hervorragend erhaltene einhäuptige Mauer besteht aus lokalem Kalkbruchstein und ist trocken, also ohne Mörtel, gemauert. Der Innendurchmesser des Brunnens beträgt 60 Zentimeter. Seine zum Zeitpunkt der Dokumentation trockene Sohle liegt im Rheinschotter.
Bevor in Muttenz 1895 die Wasserleitungen bis in die Häuser geführt wurden, bezogen die Einwohner das Wasser aus Laufbrunnen oder aus Sodbrunnen, die bis zum Grundwasser hinab reichten. Viele Haushalte verfügten so über eine eigene
Versorgung. Es gab aber auch öffentliche Sodbrunnen – wozu wahrscheinlich der neu entdeckte an der Baselstrasse zählte. Die Laufbrunnen hingegen beziehen das Wasser auch heute noch aus Quellen. Sie wurden ursprünglich über Teuchelleitungen, das heisst ausgehöhlte und aneinandergesteckte Holzstämme, und später über gusseiserne Röhren gespeist.
Der trocken gemauerte Sodbrunnen ist bereits mit einem Ring für den Dolendeckel gefasst. Blick gegen Süden.
Interessant ist die Nähe der beiden Brunnen, was eine gleichzeitige Nutzung ausschliesst. Es ist anzunehmen, dass zuerst der Sodbrunnen in Betrieb war. Wann er gegraben wurde, ist unklar: Auf der Dorfskizze von Georg Friedrich Meyer von 1678 sind hier Wasserstellen erkennbar. Später wurde am selben Ort ein Laufbrunnen errichtet und der Sodbrunnen zugedeckt. Dies bedeutete das Ende der Wasserentnahme aus letzterem. Genutzt wurde er aber weiterhin: Es wurde das aus dem
Laufbrunnen überlaufende Wasser hinein geleitet. Diese Art der Versickerung machte eine Abwasserleitung des jüngeren Brunnens überflüssig. Offenbar wurden ältere Sode nicht selten so weiter genutzt, wie ein ähnlicher Befund aus Birsfelden gezeigt hat (vgl. Jahresbericht 2012, 79).
Es erstaunt im Übrigen nicht, dass der Sod- durch einen Laufbrunnen ersetzt wurde: Einerseits ist die Wasserentnahme weniger mühsam und – noch ausschlaggebender – die Qualität des Quellwassers ist bedeutend höher als diejenige des Grundwassers. Wasser aus Sodbrunnen sorgte vor allem gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder für schwere Erkrankungen. Der Neufund bleibt auch nach Abschluss der Arbeiten unter einem Dolendeckel erhalten.
Täglich musste früher Wasser am Brunnen geholt werden, denn es gab bis 1895 noch kein fliessendes Wasser in den Häusern. Beim Wasserholen traf man sich am Brunnen und tauschte die Neuigkeiten aus. Ein kleines „Sudeltrögli“, welches an den grossen Trog angebaut war, diente dazu, die schmutzigen Sachen zu reinigen.
Brunnen in der Burggasse mit „Sudeltrögli“
Museen Muttenz, Lizenzbedingungen CC BY-NC-SA 4.0
Um das Quellwasser zu den Brunnen zu führen, benutzte man Teuchel, das heisst ausgehölte Baumstämme, die man ineinander schob. Die ersten Brunnen bestanden aus einem Trog, der aus einem dicken Eichenstamm geformt war. Mit der Zeit wurde der Trog durch Jurakalkstein ersetzt, auch der Brunnstock.
"Holzdünchel" oder Teuchel, welche bei Eindolungsarbeiten des Dorfbaches zum Vorschein gekommen sind, 17.08.1909 (Ausschnitt)
Staatsarchiv Basellland, STABL_VR_3317_B07_023b
Der Abschluss des Brunnstocks bei den Brunnen ist jeweils eine Eichel. Sie ist ein altes Symbol für Fruchtbarkeit. Wasser hatte früher einen viel grösseren Stellenwert als heute.
Brunnen im Oberdorf mit Eichel als Abschluss
Museen Muttenz, Lizenzbedingungen CC BY-NC-SA 4.0
Brunnen im Oberdorf
Die St. Arbogast-Quelle am Nordosthang des Wartenbergs versorgte die Brunnen an der Burggasse.
Die Engentalquelle (ca. 1km südlich, am Waldrand gegen die Schönmatt), vereint mit der vom Sulzhof kommenden Quelle, versorgte die Brunnen entlang dem Dorfbach.
Die Geispel-Quelle (am Hang unter dem ehemaligen Schützenplatz) versorgte die Brunnen an der Geispelgasse. Dieses Wasser wurde bevorzugt benutzt, um den Sonntagskaffee zu machen. Man war überzeugt, dass es damit den besten Kaffee gab.
Die Fulenbach-Quelle westlich vom Dorf speiste den Brunnen an der Baselgasse.
An den engen Gassen standen schmale Brunnen, meist am Wegrand. Bei den breiten Strassen war es möglich, die Brunnen frei aufzustellen, so dass die Tiere von allen Seiten zur Tränke geführt werden konnten. Auch die Weinbauern schätzten die Brunnen, wurden doch die hölzernen „Zuber“ und „Büttenen“ im Brunnentrog gewässert. Auch das Stroh, welches man zum Binden der Rebstöcke verwendete, wurde eingeweicht, um es biegsam zu machen.
Plantschende Kinder im Brunnen auf dem Kirchplatz in den 1940er-Jahren, links der Bären und in der Mitte das Gemeindehaus.
Aufnahme: Theodor Strübin, Museum.BL
Heute werden die Dorfbrunnen auch gerne genutzt, um sich rasch abzukühlen nach einer Wanderung, oder einen Schluck Wasser zu trinken. Sie werden alle mit Blumen geschmückt und tragen damit zum schönen Dorfbild bei.
Traditionellerweise wird bei der Besammlung zum Banntag ein Feuerwehrschlauch als Springbunnen montiert. Damit lassen die Kinder alte Regenschirme mit dem Wasserstrahl in die Luft schleudern.
Heimatkunde Muttenz, Foto Barbara Sorg, 21.05.2009
Das Schmücken mit Maibaum
Eduard Strübin Jahresbrauch im Zeitenlauf, Liestal 1991
In der Walpurgisnacht vom 30. April zum 1. Mai werden die bösen Wintergeister vertrieben. In Baden-Württemberg, Bayern und Österreich begeht man zu dieser Zeit den Frühlingsbeginn mit dem feierlichen Aufrichten eines grossen Maibaums auf dem Dorfplatz. Der Maibaum ist auch in der Schweiz vereinzelt in ländlichen Gemeinden anzutreffen. Doch die Baselbieter feiern die Tradition auf ihre ganz spezielle Weise. Im Gegensatz zum Rest der Welt, zieren die Maibäume dort auch die Dorf-Brunnen.
Anfang Mai sind die Dorfbrunnen mit einem kleinen Maibaum geschmückt. Über den ganzen Monat Mai bleibt jeweilen ein Maibaum auf dem Dorfplatz, beim Brunnen Baselstrasse, im Oberdorf und an der Hauptstrasse stehen.
Foto Hanspeter Meier
Maibäume, die Brunnen zieren, sind laut dem Baselbieter Volkskundler Eduard Strübin eine Baselbieter Eigentümlichkeit. In der Nacht auf den 1. Mai werden in über der Hälfte der Baselbieter Gemeinden geschmückte Tännchen auf Brunnen aufgestellt. In vielen Orten sind es die Jungbürger, die fürs Aufrichten der Maibäume verantwortlich sind. Die ersten bekannten schriftlichen Zeugnisse dieser Praxis stammen aus dem Jahr 1544. Neben dem Aufstellen des Maibaums gibt es in verschiedenen Gemeinden auch das Maisingen und viele Trachtengruppen pflegen auch den Maitanz, den die 1932 gegründete Trachtengruppe Liestal im Baselbiet eingeführt hat. Der Bändertanz um den mit Seidenbändern geschmückten Maibaum, der wegen der Seidenbandindustrie für die Region Basel besonders passend schien, wird auch in Muttenz gepflegt und hoch gehalten.
Im Jahr 1984 zählte der Volkskundler Eduard Strübin 38 Baselbieter Gemeinden mit einem Maibaum; 2017 waren es sogar 45.
Ursprünglich war es vielleicht ein heidnischer Frühlingsbrauch, gilt der Maibaum doch als Symbol des kommenden Frühlings. Er steht für Freiheit, Fruchtbarkeit, Kraft und Standhaftigkeit.