Vom Schnaps zum Kaffi Nicht nur Bier und Wein, besonders Schnäpse mussten es sein, die im einstigen Restaurant «Central» verlangt wurden. Schon in aller Morgenfrühe fing es an. Nach 4 Uhr begannen die Arbeiter der mehr-jährigrn Arbeiten zur Gestaltung des Güterbähnhofes Muttenz. Viele Arbeiter aus Muttenz waren dabei. Noch halb schlafend und mit nüchternem Magen eilten sie von ihren Wohnungen im Dorf Richtung Bahnhof mit Verschnaufpausen in den vom Kirchplatz bis zur Station am Weg liegenden Wirtschaften. um ein oder mehrere Gläschen aufwärmende Schnäpse zu genehmigen. Für jeden war in seinen Stammwirtschaften sein gefülltes Gläschen bereit, damit ja keine Wartezeit entstand. Besonders gut eignete sich das «Central», denn diese Leute in Eile konnten beim oberen Eckeingang hinein, am Buffet vorbei, und am unteren Eckeingang gleich wieder hinaus, was am laufenden Band geschah. Am Abend bevölkerten andere Stammgäste das Restaurant Central. Auch für diese war das gebrannte Wasser ein Genuss. Ein solcher Genuss geht aber selten andächtig und still zu Ende. Das erlebten die damaligen Muttenzer Bürger zur Genüge. Weil die Polizeistunde nicht immer eingehalten wurde, und weil die Alkoholseeligen aus dem Wirtshaus hinaustorkelnden Gäste oft lautstark die Strassenlaternen anstelle des Mondes besangen, oder sich in gegenseitiger Umarmung noch einen recht fröhlichen Heimweg wünschten. Alle solchen harmlosen Abstecher erregten aber mit der Zeit doch öffentliches Ärgernis, für eine damalige wohl gesittete bäerlich-bürgerliche Bevölkerung. So wie der Gastbetrieb anstossend wirkte, so wirkte auch die äussere Gestalt des Hauses störend. Ein baulicher Fremdkörper mit einer kitschigen romantischen Strassenfassade in allernächster Nähe der vielen zweckdienlich schönen einfachen Muttenzer Bauernhäuser mit den behäbigen Dächern und den runden Toren. Diese Fassade vom Central mit Eingängen zur Wirtschaft an der südlichen und nördlichen Hausecke – mit auffallend rotem Backsteinmauerwerk vom 1. Stock und mit einem hierzulande ortsfremden Treppengiebel wurde je länger je mehr als Schandfleck mitten im Dorf empfunden. Als der Zeitpunkt nahte, da diese Beiz in andere Hände übergehen sollte wurde der Moment für eine Sanierung im Allgemeininteresse von einigen Weitblickenden erfasst. Unter der Initiative vom längst verstorbenen Schlossermeister Meier interessierte sich der Gemeindestubenverein zur Übernahme dieser Liegenschaft für seine Betätigung mit einer alkoholfreien Wirtschaft und einem Vereinssaal. Dank den zielbewussten Bemühungen des damaligen Gemeindepräsidenten Prof. Dr. K. Leupin konnte eine erfreuliche Lösung gefunden und verwirklicht werden. Der Gemeindestubenverein wurde Eigentümer. Ohne viel Kapital aber mit Zuwendungen und Unterstützungen der Behörden und des Schweiz. Frauenvereins für Gemeindestuben, konnte dann auch der vom Schreibenden projektierte Umbau mit den allerbescheidensten Mitteln zum heute noch bestehenden Zustand verwirklicht werden. Dies war im Jahr 1947-48. Nun heute nach 30jähriger Selbständigkeit der Gemeindestube, hat sich die Finanzwirtschaft dieser Liegenschaft angenommen, um in einem Neubau, nebst der Gemeindestube, eine Bank-Filiale zu errichten. Dies auch ein Hinweis auf die Schweiz als Wirtschafts-Demokratie. Werner Röthlisberger. Architekt, 1978 |