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Weltwirtschaftlicher Hintergrund
Durch die nach 1980 immer stärker in Erscheinung tretende Globalisierung begann sich die Weltwirtschaft umzubauen. Davon betroffen waren auch nicht wenige Muttenzer Betriebe der Export- und Dienstleistungsbranchen. Die Globalisierung zeigte sich in der Auslagerung von Massenproduktionen in Billiglohnländer. Viele Staaten begannen durch erhöhte Zölle Handelshindernisse aufzubauen. Dazu machte der Schweizerfranken als harte Währung unsere Exporte teuer. Obwohl zur Nr. 1 der Weltwirtschaft, den USA, bald auch Japan als Industriemacht für die Schweiz als Absatzmarkt hinzukam, wurde das wirtschaftliche Klima härter.
Mit der Auflösung des sozialistischen «Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe» COMECON (ab 1989) boten sich auch der Schweiz die in Osteuropa entstandenen «Transformationsländer » als neue Märkte an. Daneben entwickelte sich die EWG immer mehr zu einem kompakten Wirtschaftsraum (EWR). Allerdings erzeugten die regional begrenzten Kriege im Kaukasus und auf dem Balkan auch neue Unsicherheiten. Das «Nein» der Schweiz 1992 zum EWR brachte der exportorientierten Wirtschaft der Nordwest- Schweiz vorerst nur Schwierigkeiten.
Während der gleichen Zeit hatten in SE-Asien fast unbemerkt die späteren «Tigerstaaten» eine starke und konkurrenzfähige Industrie aufgebaut, die bald auch Japan das Fürchten lernte. Anfangs des zweiten Jahrtausends brachten, verursacht durch das Erstarken von Russland und China, hauptsächlich die sog. BRIC – Staaten (Brasilien – Russland – Indien – China) neue Umwälzungen in die Weltwirtschaft.
Aus dem bipolaren «Gleichgewicht des Schreckens» ist bis heute ein multipolares Netz von weltwirtschaftlichen Verflechtungen zwischen mehreren starken Wirtschaftsräumen entstanden.
Bei all diesen auch ambivalenten Impulsen erstaunt es nicht, dass die «fetten Jahre» durch ein volkswirtschaftliches Wechselspiel zwischen Aufschwüngen und «Dellen », die in einzelnen Fällen die Form einer Rezession annahmen, abgelöst wurden.


Regionale Entwicklung
Vor diesem Hintergrund begann sich auch in der Nordwestschweiz die Wirtschaft zu verändern. Mit der Ölkrise von 1973 endete der Nachkriegsboom und es begann eine Phase, in der sich Auf- und Abschwünge abwechselten. Erstaunlicherweise verdoppelte sich trotz dieser instabilen Rahmenbedingungen zwischen 1980 und 1987 die durchschnittliche Netto-Wertschöpfung20 pro Arbeitsplatz beinahe. Dieser Produktivitätsfortschritt war vor allem bei den Exportbranchen der Produktion (Chemie und Metalle/ Maschinen) und bei den Dienstleistungen (Banken, Versicherungen, Spedition/Transport/Lagerung) festzustellen. Trotz des Kostendruckes durch die Globalisierung blieb die Wirtschaft durchaus konkurrenzfähig. Nach dem Börseneinbruch von über 30 % im Jahre 1986/87 trat bis 1997 eine längere Stagnation ein, in der sich jedoch schon 1993 Vorboten einer Immobilienkrise zeigten. 1990 stieg die Teuerung wieder auf über 6 % und die Kreditzinssätze auf 9 %. Die Arbeitslosigkeit blieb trotz Verdoppelung der Grenzgänger bis 1992 jedoch tief. Im Kanton Basel-Landschaft betrug sie nur 2.8 %. Dies war auf eine günstige Branchenstruktur der regionalen Wirtschaft zurückzuführen.
Nach 1992 begann die Produktion allgemein zu sinken, traditionell wichtige Zweige wie das Bauwesen und die Maschinenindustrie mussten Einbussen hinnehmen, zum Beispiel die Maschinenindustrie um 10 %. Die Arbeitgeber wurden zurückhaltend mit Neueinstellungen. Die Arbeitslosenrate stieg dadurch. Dass sie jedoch bald die 5 %-Marke erreichte, war auch auf Probleme der Qualifikation und der Immobilität der Arbeitskräfte zurückzuführen.
Durch die starke Bevölkerungszunahme der 1970er-Jahre war der Wohnraum knapp geworden. Die Baubranche weitete damals ihren Anteil an der Wertschöpfung von den normalen 8 % auf über 15 % aus. Ab 1990 stiegen die Immobilienpreise und natürlich die Mieten unaufhörlich. Im Hinblick auf solche Wertsteigerungen wurden von den Banken oft grosse Hypothekarkredite gewährt. Teilweise schätzte man sogar die zukünftige Wertsteigerung ab und verwendete diesen Wert als Basis für die Berechnung der Hypothek. Somit wurden Hypothekarkredite vergeben, welche 100 % der Gestehungskosten bei neugebauten Immobilien übertrafen. Dadurch und wegen der starken Nachfrage stiegen die Hypothekarzinsen. 1994/95 platzte diese «Blase». Die Immobilienpreise begannen zu zerfallen. Viele der neuen Hausbesitzer konnten ihre Hypothekarzinsen nicht mehr bezahlen und gerieten in Schulden, weil auch der Ertrag des Hausverkaufes die Hypotheken nicht mehr deckte. Die Bauinvestitionen blieben aus. Dadurch entstanden im Baugewerbe ab 1996 Überkapazitäten. Das wiederum erhöhte den Preisdruck und die Konkurrenz in der Branche. Um mindestens die Fixkosten decken zu können, offerierten Bauunternehmer nun sogar unter den Selbstkosten. Nur wirklich solid fundierte Bauunternehmungen und Immobilienfirmen überstanden diese schwierige Zeit. Doch schon 1997 stiegen die Exporte wieder um 12.8 % an und auch die Netto-Wertschöpfung konnte um 2.7 % gesteigert werden. Die Immobilienkrise war damit überwunden.
Um 2000 folgte ein erneuter Rückgang. Die Informationstechnik- Branche (IT)19 war an den Börsen der 1990er-Jahre auch durch Spekulationen weit überbewertet worden. Zwischen 2000 und 2002 traten nun durch Kurskorrekturen Verluste bis zu 57 % ein. Das wirkte sich auf die Gesamtwirtschaft auch in der Nordwestschweiz aus. Bis 2004 nahmen hier die Arbeitsplätze um ca. 5 000 ab. Die Arbeitslosigkeit stieg wieder auf 3.7 % an, während die Nettowertschöpfung, allerdings auf hohem Niveau, stagnierte. Schon ab 2005 belebte sich die Wirtschaft wieder. Die Wertschöpfung stieg erneut auf rund 6 % und die Arbeitslosenrate sank dank guter Beschäftigungslage in der Nordwestschweiz gar auf 2.6 %.
Und wieder wurde dieser Aufschwung schon nach etwa einem Jahr Ende 2007 durch eine Immobilienkrise und eine im Jahr 2008 nachfolgende Bankenkrise abrupt gestoppt. Diese Wirtschaftskrise entwickelte sich zuerst in den USA, weitete sich aber schnell weltweit aus. Eigentlich geschah das Gleiche wie bei uns in den Jahren um 1995. Nur wirkten sich diese Probleme des Finanzsektors diesmal nicht nur global aus, sondern sie weiteten sich auch auf andere Wirtschaftszweige aus. Wie diese Krise überstanden werden kann, wird die Zukunft zeigen.


Wirtschaftlicher Strukturwandel
Die jährlich erscheinenden «Wirtschaftsstudien der Nordwestschweiz » stellen für die Zeit ab 1980 einen durch die Globalisierung verursachten Strukturwandel auch in unserer Region fest. Als Gründe hiefür nennen sie:

  1. die Öffnung der Märkte in den Transformationsstaaten des Ostens und Asiens und
  2. die rasche Expansion der Volkswirtschaften in Asien und in Osteuropa.
    Diese beiden Gründe zeigen einerseits die Chance auf 4 Mrd. neue potentielle Kunden, andererseits aber auch die neue Konkurrenz um Märkte, in welchen die Schweiz mit ihren gegenüber anderswo hohen Personalkosten mithalten muss. Weitere Gründe sind:
  3. die Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie und
  4. der Abbau von Handelsschranken.

Die Folgen der Globalisierung bewirkten einen Strukturwandel, der sich in folgenden Erscheinungen erkennen lässt:

  • Der Wettbewerb ist härter geworden, nicht nur unter Firmen, sondern auch unter den Standorten.
  • Die globale Arbeitsteilung zwingt die «alten» Industrieländer zu Innovationen, zur Konzentration auf Spezialitäten und auf Produkte mit hoher Wertschöpfung.
  • Durch das Verhalten der Finanzmärkte werden speziell börsenkotierte Unternehmen zur Konzentration auf ihre Stärken gezwungen (Fokussierung).
  • Die Verschiebung der wirtschaftlichen Wachstumsdynamik nach Asien oder in den europäischen Osten kann bei uns eine Stagnation das heisst eine Abnahme von Investitionen und damit von Arbeitsplätzen auslösen. Um trotzdem bestehen zu können, müssen entweder im Binnenmarkt Anteile gewonnen oder muss der Export gefördert werden.
  • Die durch die Spezialisierung notwendige Erhöhung der Forschungsausgaben kann unter Umständen für KMU21 zu teuer werden und sie von neuen Entwicklungen abkoppeln.
  • Durch das Sparen der öffentlichen Hand werden deren Investitionen und Aufträge geringer und auf längere Zeiträume verteilt. Zudem verschärft sich der Kampf um die öffentlichen Aufträge massiv.
  • Höhere Spezialisierung verlangt höhere Qualifikation der Mitarbeiter und dadurch auch eine verbesserte Ausbildung/Bildung. Dadurch werden die Löhne der Spezialisten steigen, die der weniger qualifizierten Arbeitnehmer werden fallen. Die Lohnschere wird sich öffnen.

Diese letzte Feststellung über die Lohnentwicklung wurde in der «NZZ am Sonntag» vom 10. 8. 08 durch Daniel Hug für die Spanne von 1992 – 2007 in der Schweiz analysiert und dargestellt. Wir fassen diese Ergebnisse zusammen:
Von 1992 – 2007 stiegen die Löhne im Durchschnitt nominell um 21.8 % auf jährlich Fr. 76 500.–, die Gesamtteuerung betrug in der gleichen Zeitspanne 17.2 %.
Beim Betrachten der einzelnen Berufsgruppen zeigen sich nun aber deutliche nominelle Unterschiede bei den folgenden Lohngruppen (mit durchschnittlichen Jahreslöhnen, siehe Tab. 14).
Wenn nun bei diesen nominellen Lohnerhöhungen die Gesamtteuerung von 17.2 % eingerechnet wird, so haben die vier letztgenannten Berufsgruppen real 2007 sogar weniger verdient als im Jahre 1992.

Tab. 14: Lohnerhöhung und jahreslohn einzelner berufsgruppen 1992 – 2007

Berufsgruppe Lohnerhöhung
in %
Durchschnittl.
Jahreslohn in Fr.
Fachkräfte in der Landwirtschaft 35.9 62 400
Führungskräfte, Kaderleute u.ä.
28.4
112 700
Techniker, IT-Spezialisten u.ä. 25.0 84 500
Dienstleistungs- und Verkaufsberufe 21.5 56 500
Anlagen- und Maschinenbediener
17.6
67 600
Bürokräfte und kaufm. Angestellte 17.2 68 600
Handwerks- und verwandte Berufe 15.6 67 600
Hilfsarbeitskräfte
13.3
58 900
rein akademische Berufe 11.3 101 300

Neue Betriebe in Muttenz
Allein schon die Entwicklung der Bevölkerungszahl zeigt uns, dass die «fetten Jahre» nach 1980 auch für Muttenz vorbei waren. Im letzten Vierteljahrhundert nahm die Einwohnerzahl nur um 223 Personen zu, nämlich von 16 911 Einwohnern im Jahr 1980 auf 17 242 Einwohner im Jahr 2008 bei einem Maximum von 17 317 Einwohnern im Jahr 1986.
Dem stehen nun im Vergleich der Ragionenbücher von 1970 mit 354 Einträgen und 2003 mit 927 Einträgen per Saldo 573 neue Einträge in Muttenz gegenüber. Dabei erhöhte sich die im Jahr 1970 tiefe Fluktuationsrate von 28 % stark auf 74 % im Jahre 2003. Von den 1970 bestehenden 354 Betrieben existierten gemäss Ragionenbuch 2003 nur noch deren 89. Das heisst, dass viele der 354  nternehmen verschwanden. Wesentlich mehr Geschäfte, als der Saldobetrag nennt, liessen sich unter «Muttenz» ins Handelsregister eintragen.
Die hohe Fluktuationsrate zeigt zudem, dass eine Identifikation von Betrieben mit dem Standort Muttenz, wie sie «eingesessene» Unternehmen der 1950er- und 1960er-Jahre noch kannten, heute nur noch in geringem Masse vorhanden ist.
Ebenso bemerkenswert ist auch die Verteilung der Neueinträge auf die Jahrzehnte zwischen 1970 und 2003.

Tab.15: Neueinträge ins Handelsregister

Jahre Anzahl Neueinträge
1970 – 80 90

1980 – 90
163
1990 – 00 430

2000 – 03
101

Es scheint uns, dass der Boom von 531 neu eingetragenen Unternehmen zwischen 1990 und 2003 vor allem auf die wirtschaftlichen Entwicklungen in den Transformationsländern und in Asien zurückzuführen ist.

Tab. 16: Unternehmen nach Branchen 1970 und 2003

Industrielle Betriebe 1970 2003
Textil, Bekleidung, Schuhe 1 0
Metallbearbeitung und Maschinenbau 19 20
Chemische Erzeugnisse 16 27
Elektrotechnik, elektr. Apparate 6 6
Nahrungs- und Genussmittel 7 4
Papier- und Holzproduktion/ -bearbeitung 8 3
Steine und Erden 7 6
Total industrielle Betriebe 64 66
Gewerbliche Betriebe 1970 2003
Baugewerbe 36 86
Reparaturgewerbe 9 33
Transport-, Speditions- und Lagergewerbe 23 75
Gastgewerbe 24 35
Gartenbau 12 11
weitere Gewerbe 28 109
Total gewerbliche Betriebe 132 349
Dienstleistungsbetriebe 1970 2003
Handel engros 24 40
Detailhandel 47 69
Banken und Versicherungen 2 4
Gesundheit und Therapie 1 16
Bildung und Sport 4 27
Beratungen/Verwaltungen ohne öffentl. Verw. 22 222
Wohlfahrt inkl. Stiftungen u. ä. 58 88
Diverses * 46
Total Dienstleistungsbetriebe 158 512

Bei den industriellen Betrieben kann einzig eine Zunahme von Produktionsbetrieben für chemische Erzeugnisse von 16 auf 27 festgestellt werden. Die übrigen Sparten zeigen meist stagnierende oder abnehmende Zahlen, sodass sich per Saldo der Gesamtbestand nur wenig auf 66 vergrössert hat.
Bei den gewerblichen Betrieben sind mit Ausnahme der Gartenbaubetriebe in allen übrigen Sparten teils deutliche Zunahmen festzustellen. Das ergibt eine Zunahme von 217 auf neu 349 gewerbliche Betriebe.
Bei den Dienstleistungsbetrieben ist die Zunahme in sämtlichen Sparten noch markanter. Sie nahmen um 354 auf 512 zu.


Entwicklung der Gewerbequartiere
Um die Entwicklung von 1980 – 2003 in den einzelnen Gewerbequartieren feststellen zu können, haben wir wie schon im vorigen Kapitel für die zwischen 1980 und 2003 neu eingetragenen 694 Betriebe nach den obigen Schwerpunkten und nach dem Zufallsprinzip eine Auswahl von 94 Betrieben getroffen und deren Verteilung auf die einzelnen Quartiere untersucht.16 Die Jahrzahl in Klammern bedeutet das Jahr des Eintrages im Ragionenbuch. (s.Karte)

Freuler
Im Freulerquartier finden wir aus unserer Stichprobe insgesamt 6 neue Betriebe, davon 2 der Pharmabranche, sowie 1 Computer-, 1 Kunststoff -, 1 Autotechnik- und 1 Grosshandelsfirma. Eine der Pharmafirmen, nämlich «Roche Vitamine Europa AG» (1998/2002) existiert schon nicht mehr, denn Roche hat 2003 ihr ganzes Vitamingeschäft an die holländische Firma DSM verkauft.

Schänzli
Im Schänzligebiet finden sich aus der Stichprobe nach dem Wegzug von BMW nach Aesch 5 neue Betriebe, nämlich 2 Transport- und Speditionsfirmen, 2 grafische Betriebe und 1 Reinigungsfirma.

Muttenz West
In Muttenz West finden sich aus der Stichprobe insgesamt 43 neue Betriebe, davon 15 der Transport- und Speditions-, 9 aus der Metall- und Maschinen-, 5 aus der chemisch-pharmazeutischen-, 4 aus der  Handels- und 3 aus der grafischen Branche. Dazu kommen 1 Betrieb der Fachhochschule Muttenz sowie 6 weitere aus diversen Geschäftszweigen.
Bei den Handelsfirmen sind im Ragionenbuch von 2003 noch drei Firmen eingetragen (Kiosk AG 1994/2001, Azed und Merkur je 2002), welche heute unter dem Konzernnamen Valora zusammengefasst sind. Diese Valora hat am 29. August 2008 bekanntgegeben, dass sie einen Umzug von 300 Arbeitsplätzen nach Egerkingen plant. Gründe dazu sind eine für die Schweiz zentrale Lage sowie dank genügend Ausbaufläche mehr Effizienz, und nicht zuletzt die teilweise Umlagerung der Transporte von der Strasse zur Bahn. Viele Grenzgänger sind von dieser Aussiedlung betroffen. Daher scheint dieser Verlust von insgesamt 400 Arbeitsplätzen die Gemeinde Muttenz nicht allzu sehr zu schmerzen. Man sei mit rund 14 000 Arbeitsplätzen immer noch die Nummer 1 im Baselbiet, meint ein Zuständiger der Gemeinde.

Muttenz Ost
In Muttenz Ost zählen wir aus der Stichprobe 25 neue Unternehmen. 8 gehören der Transport- und Speditions-, je 4 der Metall- und Maschinen- sowie der chemisch-pharmazeutischen und 3 der  aubranche an. Je ein Betrieb stammt aus dem Bereich von Recycling, Plastik, Ausbaugewerbe, Steine/Erden, Grafik und Gartenbau.

Zentrum und Muttenz Süd
Im Zentrum und in Muttenz Süd gibt es in der Stichprobe nur 3 Neuzuzüge, je 1 Betrieb der Pharma- und Transportbranche sowie einen des Ausbaugewerbes

Schweizerhalle
In Schweizerhalle finden wir heute (2008) anstelle von Sandoz und CIBA-Geigy acht neue Namen, die alle der  chemisch-pharmazeutischen Branche angehören: Novartis Pharma (1997/2001), CIBA Spezialitäten (1997/2002), Clariant Schweiz und International (1995/2002), Syngenta (1997/2001), sowie Bayer, Huntsman, Valorec und Solvias (4, welche nicht im Ragionenbuch unter Muttenz figurieren).
Eine Folge der Globalisierung war die 1996 vollzogene Fusion von Sandoz und CIBA-Geigy zu Novartis. Die neue Firma strebte eine Beschränkung (Fokussierung) auf das Pharma-Kerngeschäft an. Die nicht mehr passenden und ausgegliederten Teile wurden entweder verkauft oder in neue Firmen integriert. Bei Ciba-Geigy waren davon zum Beispiel Ilford (Fotogeschäft), Airwick (Haushaltgeräte), elektronische  Geräte und Bauchemikalien betroffen. Daraus entstand die neue CIBA SC (Spezialitätenchemie) Andererseits wurde aus dem Chemikaliendepartement der Sandoz die neue Firma «Clariant» gebildet. 2000  wurde aus der neuen CIBA SC die Sparte «Performance und Polymere» an die ausländische Vantico verkauft. Da sich dieses Gebiet offensichtlich als schwierig erwies, verkaufte Vantico dieses 2003 weiter an die US Firma Huntsman. Diese übernahm von CIBA SC 2006 auch noch die Produktion der Farbstoffe. Ob Huntsman, wie sie heute gerne möchte, die Polymer- und Farbensparte weiterverkaufen kann, hängt von einem noch nicht getroffenen Entscheid der EU-Kommission ab.
1999 kaufte Novartis die Pflanzenschutzfirma AstraZeneca,
verband diese mit ihrem Agribusiness-Departement und bildete damit die neue Firma Syngenta, welche sich der Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln sowie klassischen wie auch genveränderten Saatgutsorten widmet. 2008 wurde nicht nur verkauft, sondern auch zugekauft. So kaufte Clariant die US Firma Rite Systems (Kunststoffe)/Ricon Colours. Auch Novartis konnte dank der amerikanischen Immobilienkrise die durch «spinn off» 1998 aus ihr selbst entstandene Firma Speedel zurückkaufen, um deren umsatzstarke Blutdruckmittel allein vermarkten zu können. Die neu in Schweizerhalle erscheinende Firma Bayer ist mit der Basler Chemie verhängt. So können einzig Valorec und Solvias als wirklich neue, jedoch in Basel registrierte Firmen in Schweizerhalle gelten. Da Clariant und CIBA SC ähnliche Geschäftsbereiche aufweisen, konkurrenzierten sie sich oft direkt. Beide Firmen entwickelten sich daher mehr schlecht als recht. Als CIBA SC Mitte 2008 erstmals einen Verlust meldete, wurde sie im globalisierten Fusionszirkus zu einem Übernahmekandidaten. Schon im September lag ein Angebot von BASF Ludwigshafen vor, das der Verwaltungsrat der CIBA gerne annahm. Sollten auch die Aktionäre die Übernahme akzeptieren, so wird vermutlich der Traditionsname CIBA 2009 auch in Schweizerhalle bald nicht mehr existieren. Die Arbeitsplätze wären in diesem Falle bei CIBA SC nur noch für  anderthalb Jahre garantiert.

Auhafen
Auch im Auhafen blieb die Zeit nicht stehen. Die ursprünglich in Muttenz ansässige Firma Sihelco verlegte ihren Sitz nach Birsfelden. 1982 dagegen eröffneten hier die Landor AG (landwirtschaftliche Produktionsmittel) und die Roderer Transport AG ihre Geschäftssitze. Die Letztgenannte fügte 1988 noch die Roderer Lagerhaus AG hinzu. In jüngster Zeit stiess einzig noch die «alpavert» dazu. Diese geringe Entwicklung deutet auf eine Stagnation in der Rheinschiffahrt hin. Zwar wurde ab 1980 die Schleppendgültig von der Schubschifffahrt abgelöst. 1986 wurde zudem das in Basel geführte Schiffsregister durch ein Bundesgesetz geregelt. Und mit der Container-Schifffahrt versuchten ab 1985 die zu Logistikfirmen umgemodelten ursprünglichen Reedereien auch Stückgüter im Containerverkehr auf den Rhein  zu locken.
Ungleiche Kostenstrukturen zwischen Bahn und Schifffahrt verhindern bis heute einen kostendeckenden Verkehr für Massengüter auf dem Rhein. Die Gewinne müssen durch Logistikleistungen hereingeholt werden. Die Hoffnungen, welche speziell auf den Containerverkehr gesetzt worden waren, wurden ebenfalls enttäuscht, nicht durch Bahnsubventionen, sondern durch einen immer noch nicht behobenen Engpass im Rotterdamer Hafen. Das Jahr 2008 brachte den Rheinhäfen um Basel zwei Neuerungen. Zum einen wurden die Häfen von Basel-Land mit denen von Basel-Stadt unter eine einzige Leitung, dem Rheinschifffahrtsamt, gestellt. Ausserdem musste wegen des Ausbaus des Novartis-Campus auf dem ehemaligen St. Johann-Industrieareal der älteste der Basler Rheinhäfen im St. Johann stillgelegt werden. Da im Basler Klybeckareal geringe Ausbaukapazitäten bestehen, werden die Hafenaktivitäten nun vermehrt auch in den Birsfelder- und den Auhafen verlegt werden müssen.


Betriebszählungen 1975 – 2005
Entgegen den stagnierenden Bevölkerungszahlen zeigen die Betriebszählungen ein dynamischeres Bild. Im Folgenden werden die Betriebszählungen von 1975 bis 2005 miteinander verglichen.


tab. 17: Betriebszählungen 1975 – 2005

  1975 1985 1995 2001 2005
Anzahl Betriebe 636 661 714 855 900
Anzahl Beschäftigte 10 644 11 992 13 669 14 538 14 072

Es scheint, dass mit etwas über 14 000 Arbeitsplätzen in den Muttenzer Industrie- und Gewerbearealen ein oberer Plafond erreicht wurde. Im Jahr 1975 waren durchschnittlich 16.7 Mitarbeiter in einem Betrieb beschäftigt, 1991 waren es 20.6 (Höchststand) und 2005 wieder etwa 15. Das weist in jüngster Zeit auf eine Tendenz von grösseren Firmen des II. Wirtschaftssektors (Schweizerhalle) zu mittleren und kleineren Unternehmen hin, wie wir sie mehrheitlich im Gewerbe und im Dienstleistungssektor finden. Die Tab. 18 bestätigt die Verlagerung zum Dienstleistungssektor hin.
Die endgültige Verlagerung vom II. auf den III. Wirtschaftssektor dürfte in Muttenz um 1991 erfolgt sein. In diesem Zähljahr wurde auch die bisher höchste Zahl (14 739) von in Muttenz Beschäftigten festgestellt. Im Kanton Basel-Landschaft erfolgte dieser Wechsel bereits 1985 (II. Sektor 48.3 %).
Die Entwicklung der Beschäftigungszahlen in den einzelnen Branchen zeigt sich in den Betriebszählungen von 1975 – 2005 wie in Tab. 19 und Tab. 20 dargestellt. Im II. Wirtschaftssektor erhöhten sich von 1975 – 2005 die Mitarbeiterzahlen einzig im Bereich Nahrungs- und Genussmittel (+125); sie stehen relativ starken Verminderungen in den traditionellen Bereichen von Metallen und Maschinen (-940), Chemie (-897), Holz (-188) und Baugewerbe (-105), also in mehrheitlich typischen Exportbranchen, gegenüber.

Tab.18: Beschäftigte im II. und III. Sektor, Prozentzahlen gerundet

  1975 1985 1995 2005
Anzahl Beschäftigte 10‘644 11‘992 14‘739 14‘072
Beschäftigte II. Sektor in % 68 63 48 37
Beschäftigte III. Sektor in % 31 36 51 63

Tab. 19: Beschäftigtenzahlen nach Branchen: Sektor II 1975/2005

II. Sektor 1975 1985 1995 2005
Nahrungs- und Genussmittel 108 144 125 233
Textilindustrie und Bekleidung, Schuhe 99 42 56 6
Holzverarbeitung 245 118 68 57
Chemische Produkte 3‘599 3‘841 3‘617 2‘702
Metalle & Maschinen, El. App. 1‘605 1‘499 1‘305 665
Papier, Graphik, Druck 217 212 230 200
Baugewerbe 827 618 918 718
Übriges 501 192 88 520

Tab. 20: Beschäftigtenzahlen nach Branchen: Sektor III 1975/2005

III. Sektor 1975 1985 1995 2005
Handel 805 767 2‘367 1‘915
Gastgewerbe 297 393 453 372
Verkehr, Transport, Spedition 1‘154 1‘491 1‘360 1‘845
Banken, Versicherungen 47 74 80 154
Unterricht, Forschung 318 347 989 1‘028
Gesundheits-, Sozialwesen 59 162 445 558
Grundstück-, Wohnungen, Dienstleistungen * * 1‘080 2‘704
Öffentliche Verwaltung 88 113 123 154
Sonstige öffentliche und persönliche Dienstleistungen 117 128 176 172

Das umgekehrte Bild finden wir im Dienstleistungssektor. Herausragend ist im Zeitraum von 1985–2005 die Zunahme der Mitarbeiterzahlen bei den allgemeinen Dienstleistungen (speziell Immobilien, IT, Beratungen).

Tab. 21: Entwicklung der Mitarbeiterzahlen 1985–2005

Branche Zunahme Mitarbeitende 1985 - 2005
allgemeinen Dienstleistungen (speziell Immobilien, IT, Beratungen) + 2‘704
Handel + 1‘110
Unterricht und Forschung +710
Verkehr, Transport + 691
Gesundheits- und Sozialwesen  + 449
Banken und Versicherungen  + 107

Die starke Zunahme im Bereich Unterricht/Forschung dürfte auch auf den Ausbau der Fachhochschule NWCH (FHNW) in Muttenz zurückzuführen sein. Die Zunahme beim Gesundheits- und Sozialwesen folgt einem allgemeinen Trend.


Pendler und Grenzgänger
Über die Pendler- und Grenzgängersituation liegen uns Zahlen von Pendlerzählungen vor (siehe Tab. 22), welche parallel zu den entsprechenden Volkszählungen ab 1960 erhoben wurden.
Steigende  Grenzgängerzahlen und steigende Arbeitsplatzzahlen stehen hier einer stagnierenden bis rückläufigen Anzahl von in Muttenz wohnhaften Erwerbstätigen gegenüber.
Im Folgenden vergleichen wir die Nicht-, Weg- und Zupendler von 1970 bis 2000 (siehe Tab. 23). Die Grenzgänger werden nicht einbezogen. Der Vergleich soll die Entwicklung der Mobilität veranschaulichen, welche durch die in der Schweiz Wohnenden verursacht wurde.
Diese Zahlen verdeutlichen die Abnahme der am Wohnort Beschäftigten und eine drastische Zunahme der Pendlertätigkeit. Bei der heutigen Forderung der Wirtschaft an die Arbeitnehmer bezüglich des  Arbeitsortes flexibel zu sein, wird es schwer fallen, diese Mobilität eindämmen zu wollen. 

Tab. 22: Herkunft der Erwerbstätigen in Muttenz 1970 – 2000 

Erwerbstätige 1970 1980 1990 2000
wohnhaft in Muttenz 7‘215 8‘201 8‘875 8‘261
wohnhaft in Muttenz in %[i] 75.7 * 66.2 61.1
haben Muttenz als Arbeitsort 9‘028 9‘911 11‘744 11‘564
in Muttenz sind Grenzgänger 506 * 1‘653 1‘954

Tab. 23: Entwicklung der Pendlerzahlen 1970 – 2000

    1970 1980 1990 2000
Arbeitsplätze   9‘ 028 9‘911 11‘744 11‘564
Nichtpendler   3‘534 3‘399 3‘091 2‘621
in % 49,0 41.4 34.8 31.7
Wegpendler   3‘681 4‘802 5‘784 5‘640
in % 51,0 58.6 65.2 79.2
Zupendler   5‘494 6‘512 8‘653 8‘943
  in % 76.1 79.4 97.5 108.3

Tab. 24: Einpendler nach wichtigen Herkunftsorten in %

Einpendler in % 14 1970 1980 1980 2000
Total 76.1 79.4 97.5 108.3
davon von        
Basel 22.0 17.6 25.8 26.7
Pratteln 14.6 14.4 12.6 9.1
Birsfelden 6.1 5.5 4.6 4.0
Münchenstein 2.3 3.0 3.5 3.1
Reinach 1.7 2.8 3.6 4.3
Grenzgänger 7.0 * 18.6 23.7
Rest 22.4 * 28.8 37.4

Tab. 25: Auspendler nach wichtigen Zielorten in %

Auspendler in % 1970 1980 1980 2000
Total 51.0 58.6 65.2 79.2
davon nach        
Basel 37.4 41.7 43.1 39.0
Pratteln 6.6 5.1 4.9 4.9
Münchenstein 1.2 2.0 2.5 2.8
Liestal 1.1 1.6 2.0 2.7
Reinach 0.3 0.6 1.5 2.2
Rest 4.4 7.0 11.2 27.5

Daraus ergab sich ein Problem für die Gemeinde: Die Einwohner von Muttenz identifizierten sich, verursacht durch die markante Steigerung der Pendlerzahlen, immer weniger mit ihrer Wohngemeinde. Dieses Problem verschärfte sich durch den von den grossen Zuzüger- und Wegzügerzahlen
verursachten gleichen Effekt deutlich (siehe S. 143).
Wohin gingen die Auspendler und woher kamen die Einpendler?
Diese Fragen versuchen die Tab. 24 und Tab. 25 zu beantworten. Bei den Ein- wie den Auspendlern haben wir jeweils die fünf wichtigsten Herkunfts- bzw. Zielorte rund um Muttenz ausgewählt.
Die Anziehungskraft des Zentrums Basel steigerte sich bis 1990 auf 43 % aller Auspendler. In jüngster Zeit nimmt sie wieder ab, da auch in der Stadt die Gesamtzahl der Arbeitsplätze abnimmt. Dafür verzeichnen mit Ausnahme des Industrieortes Pratteln alle übrigen Orte Zunahmen. Der «Rest» vergrösserte sich innerhalb von 30 Jahren von 4.4 % auf 27.5 %. Das heisst, dass sich die Zielorte der Auspendler auf einen immer grösser werdenden Umkreis um Muttenz verteilen. Die dadurch verursachte Mobilität nimmt entsprechend zu.
Die Abnahme der Einpendler von Basel bis 1980 und dann deren deutliche Zunahme hängen mit der starken Stadtflucht in den 1970er-Jahren und mit der Veränderung der Arbeitssituation in Basel zusammen. Die Abnahme der Einpendler einerseits aus den Nachbarorten Birsfelden bzw. Pratteln und andererseits etwas eingeschränkt auch aus Münchenstein ist eine Folge der starken eigenen  wirtschaftlichen Entwicklung dieser Gemeinden. Markant ist auch die Zunahme der Grenzgänger, welche 2000 fast ein Viertel der wohnhaften Erwerbstätigen ausmachte. Der «Rest» der Einpendler, der im Jahr 2000 fast 40 % betrug, deutet auf ein immer grösser werdendes Einzugsgebiet der Einpendler mit entsprechend stärkerer Mobilität hin. 

aus: Muttenz zu Beginn des neuen Jahrtausends, 2009, S. 203-215, Autor: Dr. Heinz Polivka